Elefanten im Bayerischen Wald?
Waldweide war in den zurückliegenden Jahrhunderten für die Bauern und Glashüttenbesitzer im Bayerischen Wald ein Teil der Viehwirtschaft in den Sommermonaten. Noch heute gibt es bewirtschaftete Schachten im Arbergebiet. Im Nationalpark Bayerischer Wald denkt man über eine Wiederaufnahme der Waldweide versuchsweise zunächst mit einer Rinderherde auf einem Schachten nach. Vielleicht wäre dies ein Anfang hin zur behutsamen Wiederkehr der großen Pflanzenfresser, nicht heute und nicht morgen, aber vielleicht irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft.
Waldführer Thomas Zipp beschäftigt sich seit langem mit Waldweide und großen Pflanzenfressern in der Naturlandschaft und vielen ist sein Faible für Elefanten & Co bekannt.
Die Wenigsten wissen aber um die Hintergründe und den Wirbel, den das Thema vor Jahren in der Presse und im Umfeld der NPV pünktlich zum 30-jährigen Nationalpark-Jubiläum erzeugte.
Es gibt einen amüsant-frechen und auch von den Fakten her sehr lesenswerten Presseartikel zu seinem damaligen Abenteuer, der die Geschichte umschreibt. Er ist zunächst in der Kulturzeitschrift „INFO 3" und kurz darauf auch im Elefanten-Fach-Magazin der „European Elephant Group" erschienen.
Diesen Artikel hat uns Thomas Zipp dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt
„Ersterscheinung in INFO 3; Jahrgang 07/08 - 2006".
(schön bebildert erschienen in der Juli/August-Ausgabe (2006) des Kulturmagazins „INFO-3")
Elefanten im Bayerischen Wald ?
Das urzeitliche Mitteleuropa stellen wir uns gemeinhin als undurchdringlichen Urwald vor. Warum dieses Bild möglicherweise grundlegend falsch ist und welche Konsequenzen das für unser Verständnis von Ökologie haben könnte, zeigt der folgende Beitrag.
Von Thomas Zipp
In unserer Vorstellung sind die großen Säugetiere ganz klar einer bestimmten Welt-Region zugeordnet: Afrika. Hier leben die Giganten der Tierwelt: Elefanten, Nashörner, Flusspferde, Büffel und viele andere. Mitteleuropa hat demgegenüber nicht allzu viel zu bieten: Hasen und Rehe, und wenn es hoch kommt Hirsche und Wildschweine.
Dieses Missverhältnis erlebte ich schon als Kind, und ich fühlte mich zunehmend „vom Schicksal benachteiligt" ob dieser faunistischen Armut unserer Heimat. Immerhin faszinierte mich der Gedanke, dass die wunderschönen Wälder um unser Haus in Südhessen früher zu den Jagdrevieren Karls des Großen gehörten und damals außer Hasen und Rehen hier auch Auerochsen, Elche und sogar Bären anzutreffen waren. Trotzdem - Elefanten, Nashörner und Löwen, das war doch noch etwas anderes...
In der Schule hörte ich zwar, dass in den Eiszeiten hier auch Mammute und andere Großtiere umherschweiften, was mich sehr beeindruckte, aber das waren eben die Eiszeiten mit ganz anderem Klima und daher mit wenig Bezug zu meiner damaligen Erfahrungswelt. Diese Zusammenhänge haben mich also seit jeher sehr bewegt.
Beruflich zog es mich dann in die biologische Landwirtschaft, und ich beschäftigte mich - wenn schon nicht mit Elefanten, dann doch wenigstens mit der großflächigen Weidehaltung von Rindern, Pferden, Schafen und Ziegen. Insbesondere interessierte mich die Waldweide und die Laubheugewinnung, die heute völlig in Vergessenheit geraten sind. Laubheu wurde früher im Mai aus dem jungen Blattwerk der verschiedensten Bäume und Sträucher „gewonnen"; es wurde daher kurz „Wonne" (das Gewonnene) genannt. Daher stammt auch die Redensart vom „Wonnemonat" Mai! Soll heißen: Waldweide im Sommer ist auf Grund der Nahrungsvielfalt (Krautflora plus Gehölze im parkähnlichen offenen Wald) das Beste fürs Vieh, und die Entsprechung für den Winter ist das Laubheu. Es ist ein besonderer Leckerbissen, eben „eine Wonne" und trägt durch seine besonderen Wirkstoffgehalte wesentlich zur Vitalität derTiere bei. Leider wird diese - auch gesamt-ökologisch hochinteressante - Form der Landnutzung heutzutage von Forstleuten oft sehr pauschal und undifferenziert als „extrem waldschädlich" abgelehnt (vielfach wird diese Sichtweise sogar von Ökologen - unhinterfragt - übernommen).
Durch glückliche Umstände hatte ich die Gelegenheit, ein Jahr lang einen Wildpark in der Nähe von Coburg zu betreuen und konnte hier das Weideverhalten von Heck-Rindern (das sind Auerochsen-„Rückzüchtungen"), von Rot- u. Damhirschen, sowie von Wildschweinen, vor allem aber von Elchen beobachten. Letztere fielen mir bei der Fütterung insbesondere durch ihren enormen Gehölzbedarf auf.
1987 schließlich wurde ich Freier Mitarbeiter bei der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Freyung-Grafenau und hatte u.a. mit der Pflege von Feuchtwiesen und Magerstandorten, also der Landschaftspflege auf Extensivgrünland zu tun.
Eine meiner ersten Aktivitäten in diesem Zusammenhang war die Bemühung , zu einer großflächigen Weidehaltung von Tieren als Pflegealternative zur damals ausschließlich praktizierten maschinellen Mähpflege zurückzukehren.
Ein weiterer Aufgabenschwerpunkt war die naturschutzfachliche Beurteilung von Aufforstungsanträgen auf Flächen, auf denen bedrohte Tier- und Pflanzenarten lebten. Da auf solchen Flächen eine Aufforstung nicht genehmigt werden konnte, weil das den Untergang dieser Standorte (vor allem durch Lichtmangel) bedeutet hätte, gab es bei ablehnender Stellungnahme viel Widerspruch von Seiten der Betroffenen, oft mit der Begründung: „Es war doch Wald, warum soll´s denn nicht wieder Wald werden!?"
Das war ein sehr gewichtiges Argument, denn genau so, nämlich dass Mitteleuropa in der Vorzeit ein geschlossenes Waldland war und somit in der Naturlandschaft kein Platz für die lichtliebenden Offenlandarten gewesen sein konnte, genau so hatten wir alle das ja gelernt, und ein gewisses Unbehagen war in dieser Situation kaum zu vertreiben.
Anläßlich eines Gespräches über dieses Thema machte jedoch ein holländischer Biologe (K. Kleyn) die für mich zunächst sehr befremdliche Bemerkung, dass diese These vom geschlossenen Wald Mitteleuropas gar nicht zutreffend sei, und zwar - und da horchte ich auf: aufgrund der Weidetätigkeit der damals hier lebenden großen Pflanzenfresser.
Im Einzelnen konnte ich mir das noch nicht gleich vorstellen, aber mir schien, an der Sache könnte etwas dran sein - ich war zumindest hellhörig geworden.
In der Folge achtete ich dann mehr auf diesen Aspekt, und mir fielen Veröffentlichungen verschiedener Autoren, bzw. Autorinnen zu diesem Thema in die Hände. Herausragend war hier der Artikel in einer Fachzeitschrift von
Frau Dr. Margret Bunzel-Drüke, die zusammen mit Dr. Bernd Gerken, Professor für Tierökologie an der Uni Paderborn, an diesem Thema arbeitet. („Quaternary Park" und „Naturführer für das Pleistozän" www.abu-naturschutz.de). Dieser Artikel enthält eine umfassende Darstellung der Tierwelt und der Naturlandschaft Mitteleuropas vor Einflussnahme durch den Modernen Menschen, das heißt, er beschreibt die Verhältnisse während der letzten Zwischeneiszeit.
Erdgeschichtlicher Exkurs
Damit wären wir endgültig beim Thema angekommen und ich möchte Sie jetzt für einige Minuten in diese Zeit entführen. Damit keine Missverständnisse entstehen:
Wir befinden uns in der Erdneuzeit , dem Quartär, der „modernen" Zeit der Erdgeschichte. Noch konkreter: es geht innerhalb des Quartärs um die allerletzte Zwischeneiszeit („Eem-Zeit") vor rund 100.000 Jahren. Um eine Vorstellung der zeitlichen Nähe zu gewinnen stellen Sie sich vor, dass 100.000 Jahre nur(!) rund 100 Eichenalter ausmachen.
Zum Vergleich: „Jurassic Park" spielt vor etwa 100 Millionen Jahren (das ist diese Zahl mal 1.000 !) und hat überhaupt nichts mit der Eem-Zeit zu tun. Im Quartär gab es natürlich schon lange keine Saurier mehr! Wir befinden uns mit unserem Thema also am allerletzten Ende der Erdgeschichte. Klima und Pflanzenwelt entsprechen nahezu vollständig den heutigen Gegebenheiten.
Es wachsen Tannen, Buchen, Eichen und all die anderen uns vertrauten Bäume und Sträucher und es gibt Winter und Sommer wie wir sie kennen. Die damalige Tierwelt allerdings, war um Welten vielfältiger und artenreicher. Auch schon damals gab es Hasen und Rehe, aber eben noch ein paar andere Tiere zusätzlich. Ich zähle beispielhaft einige davon auf:
Das Wildpferd und der Wildesel, der Riesenhirsch, der Elch, das Rentier, Rothirsch und Damhirsch, Wisent, Auerochse und der Europäische Wasserbüffel. Als Beutegreifer natürlich der Wolf, der Luchs, Braunbär und Höhlenbär, aber auch die Säbelzahnkatze, der Europäische Löwe und der Europäische Leopard. Schließlich die ganz Großen: das Europäische Flusspferd, der Europäische Waldelefant, das Steppennashorn, das Waldnashorn, (möglicherweise auch Fellnashorn und Mammut, für die es aber nur aus den Eiszeiten sichere Nachweise gibt). Einige dieser Tiere sind uns als Wappentiere oder aus den Märchen ja noch wohl bekannt!
In der Nähe von Winterberg (Tschechien) finden sich auch für das Bayerisch-Böhmische Grenzgebirge Nachweise aus diesem reichen Tierleben der letzten Zwischeneiszeit - bis hin zum Elefanten.
Erstmals wurde mir vollends klar, von welcher Vielfalt an Großtierarten man in Mitteleuropa tatsächlich ausgehen muss, um die Ökosysteme vor unserer Haustür wirklich verstehen zu können. Erstmals wurde auch meine alte Wehmut über unsere klägliche Reliktfauna halbwegs geheilt.
Den Menschen gab es zu dieser Zeit natürlich auch schon, er stand dem Neandertaler nahe und lebte unter anderem von diesem reichhaltigen Angebot an Jagdtieren. Großwild bis hin zum Elefanten war die bevorzugte Beute.
Hasen und Rehe, die Haupt-Beutetiere unserer heutigen Jäger, waren damals - vermutlich „mangels Masse" - weniger begehrt und eher Zufallsbeute.
Der so genannte „Moderne Mensch" (Homo sapiens) lebte zu dieser Zeit in Europa allerdings noch nicht, er taucht erst gegen Ende der letzten Eiszeit, vor rund 30 - 40.000 Jahren auf.
In Bezug auf die bis hierhin erläuterten Zusammenhänge herrscht in der Wissenschaft im Wesentlichen Einigkeit.
Erhebliche Meinungsverschiedenheiten gibt es allerdings über die Frage, warum vor allem die „Ganz Großen" (die so genannte Megafauna) heute in Mitteleuropa nicht mehr vorkommen, bzw. warum sie gegen Ende der letzten Eiszeit ausstarben.
Dazu gibt es im Prinzip drei Thesen:
1. Klimatische Gründe
2. Ausrottung durch den Modernen Menschen (Homo sapiens)
3. Eine Kombination aus 1. und 2.
Variante Nr. 3 erscheint einer zunehmenden Zahl von Fachleuten heute am wahrscheinlichsten, da das Aussterben der Megafauna weltweit zeitlich mit dem Erscheinen des Modernen Menschen und mit - klimatisch bedingten, enger werdenden Lebensräumen zusammenfällt.
Die Variante Nr. 1 allein wird immer weniger vertreten, da diese Tiere eine ganze Reihe von teilweise kälteren Eiszeiten mit vergleichbar extremen Klimaschwankungen (allerdings ohne die Anwesenheit des Homo sapiens!) problemlos überlebt haben, nur eben die letzte Eiszeit nicht.
Folgerungen für die heutige Zeit
Wenn man das Aussterben der Großtiere auf „natürliche" Ursachen, also z. B. die Klimaveränderung am Ende der letzten Eiszeit zurückführt, dann handelte es sich einfach, jedenfalls nach heute üblicher Denkweise, um eine abgeschlossene Episode der Erdgeschichte wie viele andere auch, ohne einen direkten Bezug zur Gegenwart, also auch ohne Auswirkungen auf aktuelle Fragen der Ökologie. Wäre aber der Mensch maßgeblich am Untergang dieser Großfauna beteiligt gewesen, dann wären manche unserer liebgewordenen Vorstellungen vom tiefen, dunklen Hänsel-und-Gretel-Wald, als Naturlandschaft Mitteleuropas auf den Kopf gestellt.
Denn es ist ja kaum vorstellbar, dass eine derartige Vielzahl von großen Pflanzenfressern das Entstehen von großflächig geschlossenen Wäldern zugelassen hätte (man denke nur an die derzeitigen Ängste unserer Forstleute vor Rehen und Hirschen!). Statt dessen müsste man sich mit einem vermutlich parkähnlichen Landschaftsbild, vielfach von Licht durchflutet und mit einem buntem Wechsel von Bäumen und Offenland, anfreunden.
Das Leitbild einer halboffenen, parkähnlichen Landschaft wiederum hätte zur Folge, dass das heutige so genannte „Wildtiermanagement" vor allem in Großschutzgebieten (Nationalparks !) neu überdacht werden müsste, da das bisherige Leitbild mit der Vorstellung vom nahrungsarmen geschlossenen „Urwald" Mitteleuropas und der dadurch bedingten geringen Wildbestände so nicht mehr zu halten wäre. Denn auf Grund des enormen Nahrungsangebotes in den offenen Bereichen müsste vielmehr mit hohen Tierbeständen, wenn nicht mit Tierherden gerechnet werden.
Einerseits stellt diese Perspektive das gewohnte Bild vom urtümlichen „Urwald" in Frage - bereichert diese neue Sichtweise aber nicht möglicherweise unser ökologisches Weltbild ganz enorm?!
Da sich jedoch weder die neue These von den großtierreichen Parklandschaften Mitteleuropas, noch die alte Theorie von den wildarmen Urwäldern Mitteleuropas letztendlich beweisen lässt, bleibt als Konsequenz, dass beides für möglich gehalten werden muss. Deshalb wäre es nur konsequent, auch beide Varianten auf jeweils verschiedenen Flächen, z.B. in Nationalparks, heute zu realisieren. Die Frage nach der Wilddichte muss also neu gestellt werden. Für jeden, der mit der Materie vertraut ist, ist klar, dass bereits dies einer kleinen Revolution gleichkommt.
Auf dem über 200 qkm großen Truppenübungsplatz Grafenwöhr östlich von Nürnberg wird diesen Zusammenhängen allerdings schon Rechnung getragen: Das dortige Bundesforstamt praktiziert bereits in ökologisch sehr kompetenter - und selbstbewusster - Weise neue Wege. Man lässt in diesem, auch von der übrigen Artenvielfalt her gesehen, äußerst wertvollen und deutschlandweit einmaligen Lebensraum eine am Gesamt-Nahrungsangebot der Fläche orientierte Entwicklung zu.
In dem riesigen parkartigen Areal kann man eine Ahnung von dem bekommen, was Mitteleuropa einmal war.
Die Rothirsch-Dichte beträgt dort derzeit ca. das 20-fache (!) der gemeinhin in Deutschland üblichen Wilddichten.
Hier gibt es sie tatsächlich wieder: Wildtierherden in urtümlich-mitteleuropäischer Landschaft.
Anderenorts, z. B. in den eigentlich dafür prädestinierten deutschen Nationalparks, hat man diesbezüglich noch größte Berührungsängste, und das, obwohl man auf der anderen Seite die Zuwanderung großer Beutegreifer (Luchs, Wolf, Bär) fördern möchte. -- Wo ist die entsprechende Beute ??
Ein weiterer Aspekt:
Fenster in die Vergangenheit?
Wie immer man sich zu dieser Diskussion stellt, die beeindruckende Tatsache ist und bleibt, dass es in der Vorzeit Mitteleuropas eine lange Zeitspanne gab, in der das Klima und die Pflanzenwelt den heutigen Verhältnissen ganz ähnlich waren, jedoch im Gegensatz zu heute eine unvorstellbar reiche Tierwelt unsere Landschaften belebte. Diese faszinierende Vorstellung führte mich zu der Frage, ob es nicht möglich wäre, in einem Großgehege mit gemeinschaftlicher Haltung von heute noch lebenden Verwandten der damaligen „Ganz Großen", sozusagen ein Fenster in die Landschaft der Vergangenheit zu öffnen. So könnten die Dynamik und die Atmosphäre, die diese Tiere in der Landschaft - gerade auch in Mitteleuropa - hervorrufen, für uns Heutige erlebbar und das Bewusstsein für diesen kaum bekannten Aspekt der Landschaftsgeschichte unserer Heimat gefördert werden.
„Rückzüchtungen" von Wildpferden und Auerochsen, evtl. auch Wisent, Elch und Wasserbüffel sind bereits, bzw. noch, vorhanden und im mitteleuropäischen Klima auch leicht zu halten.
Schwieriger wird es mit den Elefanten. Der Europäische Elefant ist ausgestorben. Es stellte sich also die Frage, ob seine heute noch lebenden nahen Verwandten aus Afrika oder Asien als Stellvertreter seinen Platz einnehmen könnten.
Ein Schlüsselerlebnis für diese zunächst etwas abenteuerlich scheinen mögende Vorstellung wurde für mich ein Besuch im Tiergarten Walding im österreichischen Mühlviertel 1996, wo zwei ca. 25 - jährige Asiatische Elefanten privat gehalten werden. Zur damaligen Zeit wurden sie nicht nur im Gehege gehalten, sondern auch auf Spaziergänge in den umgebenden Wald, zum Baden im nahen Bach und auch zum Arbeiten mit nach draußen genommen.
Der Besuch fiel auf einen kalten, wolkenverhangenen Wintertag bei ca. -7 °C, einer Schneelage von ca. 20 - 30 cm und wir waren auf das Verhalten der Elefanten in dieser Situation sehr gespannt! Übermütig und kaum zu bremsen stürmten sie aus ihrem Gehege ins Freie und wälzten sich zuerst einmal ausgiebig im Schnee.
Dann ging es weiter in den nahen Wald, wo sie sofort versuchten, den Eichen an die Rinde zu gehen oder junge Fichten ganz zu verspeisen (im Stall werden sogar Besen- und Schaufelstiele aus Eschenholz von den Elefanten gefressen!). Nur mühsam konnten sie davon abgehalten werden und begnügten sich schließlich mit Brombeeren, die sie mit den Füßen frei scharrten und dann mit dem Rüssel unter dem Schnee hervorzogen. Nach etwa einer Stunde ging es ebenso stürmisch wieder auf den Heimweg.
Von diesem Zeitpunkt an wusste ich:
Elefanten im Großgehege sind unter Hinzunahme einer entsprechenden Stallung in nahezu jeder Region Mitteleuropas zu halten. Und ich begann Fakten zu sammeln.
Zunächst stellte sich die Frage nach der Möglichkeit der Vergesellschaftung von Elefanten mit anderen Großtieren. Diese Frage konnte bald positiv beantwortet werden, da schon entsprechende Erfahrungen vorlagen.
Ich lernte Karl Kock kennen, der im Hamburger Tierpark Hagenbeck 47 Jahre lang Erfahrungen im direkten Umgang mit Elefanten sammeln konnte. Er bestärkte mich in meinem Vorhaben und berichtete mir u.a. von Erfahrungen aus den fünfziger Jahren mit Asiatischen Elefanten: Damals gab es neben dem Tierpark Hagenbeck auch noch den Zirkus vom gleichen Unternehmen. Karl Kock musste bei verschiedenen Zirkus-Gastspiel-Aufenthalten in Norwegen hin und wieder die Etappen von einem Aufführungsort zum anderen mit seinen Dickhäutern zu Fuß bewältigen. So konnte er auf den oft langen Wanderungen (bis 30 km!) das Verhalten der großen Tiere in nordeuropäischer Landschaft hervorragend beobachten und stellte dabei z. B. fest, dass sie keinerlei Schwierigkeiten hatten, sich unterwegs von der vorgefundenen Pflanzenwelt in Wald und Feld zu ernähren; armdicke Buchen- und Birkenäste waren die herausragenden Leckerbissen (zuhause in Hamburg standen auch Eichen, Hainbuchen und der wehrhafte Weißdorn auf der Futterliste!). Auch ein ausgiebiges Bad im eiskalten Fjord gehörte erstaunlicherweise zu den besonderen Annehmlichkeiten. Dies befreite mich von den letzten Zweifeln bezüglich des mitteleuropäischen Klimas.
Markus Linder vom Zoo Augsburg, ein Schüler von Karl Kock, rief mich eines Abends an und erklärte mir, dass die „European Elephant Group", die ich bisher nicht gekannt hatte, sich „brennend" für mein Projekt interessiere.
Er erklärte mir weiter, dass sich die „European Elephant Group" exakt für die von mir angestrebte Haltung von Elefanten im Großgehege ohne direkten Pflegerkontakt seit Jahren einsetzt. Dies einerseits, um Elefantenpfleger vor Unfällen, die in den herkömmlichen Kleinsthaltungen mit direktem Pflegerkontakt an der Tagesordnung sind, zu schützen, andererseits ist es das erklärte Ziel der European Elephant Group, eine artgerechtere Elefantenhaltung in Zukunft zu verwirklichen.
Das bedeutet, die Elefantenhaltung der Zukunft muss in erster Linie großflächig angelegt sein. So liegen unsere Gedanken damit genau auf der gleichen Linie.
Durch diese erfreuliche Entwicklung konnte die große Fachkompetenz dieser weltweit aktiven Gruppe in das Projekt einfließen, was zu einer unschätzbaren Hilfe wurde.
Francois Meise mit seinen prächtigen Stoßzahn tragenden Afrikanischen Elefanten überzeugte mich schließlich endgültig davon, dass für unser Vorhaben vor allem „Afrikaner" in Frage kommen.
Im Laufe der Zeit wurde aus „meinem" Projekt „unser" Projekt, d. h. es fanden sich zunehmend Befürworter und es wurde eine Arbeitsgruppe, bestehend aus mehreren Biologen und Biologinnen, einer Landespflegerin und Elefantenfachleuten gegründet.
Blieb nur noch die Frage: Wohin mit der Idee, die im Übrigen ja auch etwas kostet:
Es ergab sich, dass parallel zu meinen Erkundungen in Sachen Elefanten, im Nationalpark Bayerischer Wald schon seit längerer Zeit die Planung für ein neues Tierfreigelände lief.
Zur Konkretisierung der Planung wurde im Dezember 1999 ein Expertengespräch veranstaltet, zu dem Fachleute aus der Schweiz, Österreich, den Niederlanden, Tschechien und Deutschland zusammenkamen. Zu diesem Gespräch wurde auch ich eingeladen. Vorgabe war: das neue Tierfreigelände sollte attraktiv sein, nicht bereits Bestehendes wiederholen und es sollte mit ehemals hier heimischen, großen Pflanzenfressern besetzt werden.
Also - genau mein Thema.
Ich hatte jedoch nicht im Geringsten die Absicht, mir mit dem exotischen Thema „Elefanten" die Finger zu verbrennen und war denn auch vollauf zufrieden darüber, dass die Expertenrunde zunächst einmütig ein Großgehege von 50 - 80 ha für Auerochsen- und Wildpferd -„Rückzüchtungen" vorschlug.
Ich schloss mich folglich diesem Votum an.
Nachdem allerdings dieser Vorschlag vom zuständigen Landrat als zu „unattraktiv" bezeichnet und abgelehnt wurde, kam ich doch noch ins Grübeln:
Man könnte ja zur Erhöhung der touristischen Attraktivität (und der Vollständigkeit halber!) Elefanten zu den Auerochsen und Wildpferden gesellen, und das
„Fenster in die Vergangenheit" wäre perfekt. Nach reiflicher Überlegung entschloß ich mich zu der Entscheidung: Jetzt oder nie ! Ich sagte mir, selbst wenn keinerlei Chance besteht „Elefanten im Bayerischen Wald" zu realisieren, jetzt ist auf jeden Fall der Zeitpunkt gekommen, um mit der Idee an die Öffentlichkeit zu gehen.
Das tat ich.
Und - es wurde stürmisch.
Der Sturm legte sich aber auch wieder, der Vorschlag wurde zwar abgelehnt, was ich ja mehr oder weniger erwartet hatte, aber, man sprach jetzt darüber und manch einer, der zunächst strikt ablehnend reagiert hatte, fand die Sache mit der Zeit - zumindest hinter vorgehaltener Hand - zunehmend sympathischer.
Das Projekt
Insgesamt empfand ich die Reaktionen als durchaus ermutigend zum Weitermachen und ich begab mich auf die Suche nach anderen Möglichkeiten zur Realisierung des Vorhabens.
Ich hatte vor allem ehemalige Standortübungsplätze der Bundeswehr im Auge und wurde schließlich fündig im Landkreis Passau.
Der dortige Standortübungsplatz bei Kirchham wurde mittlerweile geschlossen, und für das Übungsgelände von über 300 ha muss eine Folgenutzung gefunden werden.
Beim Landratsamt Passau stieß ich auf offene Ohren, man setzt hier vor allem auf die touristische Attraktion im Umfeld des so genannten „Bäderdreiecks".
Das Projekt wurde in einem großen Artikel in der Lokalpresse vorgestellt und von den zuständigen Kommunalpolitikern, sowie vom Fremdenverkehrsverband Ostbayern positiv aufgenommen. Unser Vorhaben wird von Fachleuten als zukunftsweisend, und im Falle seiner Verwirklichung als europaweit einmalig bezeichnet.
Die ersten Schritte sind also getan, und es ist nicht ausgeschlossen, dass - nach „längerer Pause..." - bald wieder Wildpferde, Auerochsen und andere Großtiere und sogar Elefanten in der alten Pockinger Heide ihre Fährten ziehen können.
Aktueller Stand:
170 ha des Übungsgeländes in Kirchham wurden mittlerweile von einem Investor aufgekauft. Der Käufer beabsichtigt die Errichtung eines „Naturerlebnis-Parks im weitesten Sinne" und hat sich an der Einbeziehung des Themas „Elefanten in den Landschaften Mitteleuropas" hochinteressiert gezeigt.
Weitere Themenfestlegungen sollen in Kürze folgen.
Weitere Infos:
Thomas Zipp
Klausenweg 3
94 089 Neureichenau
Tel.: 08583/1847
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