Am Anfang stand nur eine Idee
Serie des Grafenauer Anzeigers zum 50. Nationalpark-Jubiläum im Jahr 2020- Initiativen zur dessen Errichtung begannen bereits 1967.
18.01.2018 | Stand 18.01.2018, 02:17 Uhr
Er begleitete die Entstehung des Nationalpark von der ersten Stunde an: Michael Haug. - F.: NiglGrafenau.Was heute als das Markenzeichen unserer Region gilt, ist unter großen Wehen entstanden. Die Rede ist vom Nationalpark Bayerischer Wald, der im Jahr 2020 seinen 50. Geburtstag feiern wird. Anlass genug für den Grafenauer Anzeiger, im Vorfeld eine kleine Serie zu starten, die den Weg bis zur Geburt des Parks aufzeigt. Autor ist Michael Haug, langjähriger Nationalparkmitarbeiter der ersten Stunde, der dessen Entstehungsgeschichte wohl wie kein Zweiter kennt.
Wie gesagt, am 7. Oktober 1970, wurde der Nationalpark Bayerischer Wald offiziell aus der Taufe gehoben. Die Initiativen begannen aber bereits drei Jahre vorher, so lässt sich u.a. der 17. Januar 1967 nennen - wo erstmals eine Art Nationalparkkonzept aufgetaucht ist.
Haug war vor 50 Jahren Student der Landschaftspflege und der Landschaftsplanung an der TH München-Weihenstephan. Damals, in der Endphase des Studiums, sei die Idee, im Bayerischen Wald einen Nationalpark zu gründen, heftig diskutiert worden. Prof. Wolfgang Haber, damaliger Leiter des Instituts für Landschaftsökologie, hatte den Auftrag erhalten, ein Gutachten für die Nationalparkpläne zu verfassen. Auftraggeber war der Deutsche Rat für Landschaftspflege. "Ist es für Deutschland möglich, einen Nationalpark auszuweisen?" Das war die Frage, um die sich laut dem mittlerweile 78-jährigen Haug die Fachwelt mächtig gestritten habe.
Der etablierte Naturschutz habe damals die Gedanken eines Nationalparks im Bayerischen Wald rundweg abgelehnt. Und das, obwohl Ende Januar 1968 Abgeordnete des Bayerischen Landtags sowie die CSU und die SPD Anträge für die Errichtung eines Nationalparks Bayerischer Wald eingereicht hatten. Die Anträge der CSU allerdings hätten sich laut Haug lediglich auf einen Nationalpark im "Lusengebiet" beschränkt. Die SPD-Abgeordneten hätten einen Nationalpark im Rachel-Lusengebiet mit mindestens 9000 Hektar Fläche gefordert. Beide Anträge hätten einen ausreichenden Schutz der angrenzenden Land- und Forstwirtschaften sowie die ausreichende Beachtung der Lebensinteressen der angrenzenden Landwirtschaft beinhaltet. Außerdem solle der Bund für eine finanzielle Beteiligung gewonnen werden. Das waren die Forderungen der Abgeordneten.
Neben dem Artenschutz erhofften sich die Nationalparkbefürworter außerdem eine Belebung des Tourismus. Um die Ziele und Vorstellungen konkreter zu fassen, wurde im Vorfeld auch ein "Zweckverband zur Förderung des Projektes eines Nationalparks im Bayerischen Wald" gegründet. Mit dem Begriff "Nationalpark" verbanden die damaligen Initiatoren eine erhoffte staatliche Förderung der strukturschwachen Region sowie ein Engagement der Bundesregierung. Auch wollte man mit dem Begriff Nationalpark nach amerikanischem Vorbild auf dem internationalen Markt mithalten können.
Die erste Nationalparkkonzeption ist im Jahr 1967 entstanden und wurde vom Zweckverband an die Regierung von Niederbayern weitergeleitet. In diesem Konzept waren eine Mindestgröße von 6000 Hektar sowie genaue Angaben zu Art und Zahl der zu haltenden Tiere vorgesehen. Bei den ersten Überlegungen über ein geeignetes Gebiet sei vorrangig vom Staatswald zwischen Sagwasser und Reschwasser östlich vom Lusen ausgegangen worden, doch auch das Staatswaldgebiet westlich des Lusens sei immer wieder im Gespräch gewesen. Für Probleme sorgte allerdings die Tatsache, dass die relativ geringe Fläche von 6000 Hektar nicht mit einem "Groß-Schutzgebiet" mit ungestörter Entwicklung konform gehen konnte. Im Plan, der die Unterschrift des damaligen Zweckverbandsvorsitzenden und Nationalpark-Motors Karl Bayer trägt, waren zirka 900 Hektar Kahlschläge, 30 Kilometer lange Zäune und eine "Großfütterung" auf jeweils sechs Quadratkilometer großen Flächen vorgeschlagen. Kosten sollte die Errichtung des Nationalparks 6,5 Millionen Mark, und auch Vorstellungen über eine künftige Holznutzung wurden formuliert. Die Holznutzung sollte schrittweise auf zwei Drittel der bisherigen Nutzung zurückgefahren werden. Dieser Plan wurde am 18. Oktober 1967 eingereicht.Das Haber-Gutachten als Geburtshelfer
2. Teil der Serie des Grafenauer Anzeiger zum 50. Jubiläum des Nationalparks im Jahr 2020 - Am Anfang stand viel Papier
02.02.2018 | Stand 02.02.2018, 09:06 UhrGrafenau.
Im zweiten Teil geht es um das Haber-Gutachten, das am heutigen 2. Februar ein Jubiläum feiern kann.
Am 2. Februar 1968 wurde nämlich das Haber-Gutachten (erstellt vom Münchner Professor Wolfgang Haber) an den Bayerischen Ministerpräsidenten, den Landtag und den Senat geschickt und sollte in den darauf folgenden Diskussionen eine zentrale Rolle spielen. Anderthalb Jahre später wurde das Gutachten zur Grundlage für den Beschluss des Bayerischen Landtages zum Nationalpark Bayerischer Wald. Gleichzeitig diente es als Arbeitsgrundlage für die staatlichen Beamten und Angestellten, die ab November 1969 mit der Umsetzung der Beschlüsse des Bayerischen Landtages betraut wurden. Bereits bei der Veröffentlichung sei laut Haug ein grundsätzliches Missverständnis entstanden, das den Nationalpark mindestens ein Jahrzehnt begleiten sollte.
Dem Haber-Gutachten lagen die Planungsüberlegungen vom Zweckverband zur Förderung des Projektes eines Nationalparks vor. Deswegen ist eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit diesen Nationalpark-Plänen erforderlich gewesen. Die Bemühungen um die Schaffung eines großen Vollnaturschutzgebietes seien "in sehr positiver Weise" begrüßt worden. Haber hält fest: "Der Begriff Nationalpark hat keinen eindeutigen Inhalt. Bestehende europäische Nationalparks können nicht ohne weiteres als Vorbilder herangezogen werden. [...] Die unvoreingenommene Prüfung der landschaftsökologischen Voraussetzungen des Projekts zeigt, dass es als Bergwald-Nationalpark mit dem vorhandenen Wildbestand nicht zu verwirklichen wäre. Wenn man der Meinung ist, ein großes Stück Natur [...] zum Nationalpark zu erheben, dann würde sich der Hintere Bayerische Wald [...] vorzüglich dazu eignen und nicht nur der zur Zeit dafür ausersehene Ausschnitt von 50 Quadratkilometer im Umkreis des Lusen."
Neben den vorhandenen Wildarten sollten vielleicht auch Bär, Luchs, Wisent, Elch, Wildpferd, Schwarzwild und Biber hier eine neue Heimat finden. Umfangreich setzte sich Haber mit den Beobachtungsmöglichkeiten für Wildtiere in Waldgebieten auseinander sowie mit der Idee, aus touristischen Überlegungen Schaugehege anzulegen.
Laut Haber soll der geplante Park nicht auf das kleine Gebiet zwischen Lusen und Mauth beschränkt, sondern nach Nordwesten bis etwa zur Linie Rachel - Bhf. Klingenbrunn ausgedehnt werden. Als Südgrenze wäre die Trasse der alten Spiegelauer Waldbahn geeignet.
In diesem Gebiet werden mindestens fünf Großwild-Schaugehege von jeweils 6 bis15 Hektar Größe angelegt, und zwar an der südlichen, klimatisch und verkehrsmäßig begünstigten Grenze. In diesen Gehegen sollen Rothirsche, Wildschweine, Bären, Wisente und Elche gehalten werden. Als Plätze würden in Frage kommen: Neuhütte, Guglöd, Altschönau, Weidhütte und Glashütte.
Der im Parkgebiet frei lebende Großwildbestand soll im wesentlichen aus Rotwild, daneben aber auch aus Gemsen, Mufflons und Rehen bestehen und eine Kopfzahl von 220 bis 230 Stück nicht überschreiten.
Der Wald wird weiterhin naturgemäß gepflegt und die Holznutzung fortgesetzt, doch hat diese sich den Erfordernissen des Parkes unterzuordnen, z. B. durch Erhöhung der Umtriebszeit.
Die Erschließung des Gebietes mit Fahr- und Wanderwegen wird fortgesetzt und durch Reitwege ergänzt. Eine kleine Anzahl von Fahrwegen ist für den Kraftwagenverkehr freizugeben, und zwar in einem Einbahn-Rundverkehr. Alle übrigen Fahrwege sollen nur für den Verkehr von Kutschwagen und Schlitten zugelassen werden.
Durch mindestens fünf Wald- und Wildlehrpfade werden der Wald und seine Tier- und Pflanzenwelt unter besonderer Berücksichtigung der Eigenarten des Gebietes den Besuchern näher gebracht. Dazu können auch die vorhandenen Naturschutzgebiete herangezogen werden, vor allem - nach dem Vorbild der Anziehungskraft des Kubany-Urwaldes - die urwaldartigen Bestände in der Rachelseewand, am Lusen sowie im Bärenriegel.
Der Park wird auf Grund eines besonderen Gesetzes als Selbstverwaltungskörperschaft eingerichtet. An deren Spitze stehen ein Direktor - möglichst ein Forstmann - und ein Verwaltungsrat, dem Vertreter der Gemeinden, Landkreise, des Regierungsbezirkes, Landes und des Bundes sowie je ein Zoologe, Botaniker, Jagdwissenschaftler, Forstwirt und Landschaftsökologie angehören.
Für den Landschaftsplan und für die erforderlichen Einzellandschaftspläne sollte die von den Naturparken bewährte Dreiteilung in eine Anreise- und Einkehrzone um die Orte Klingenbrunn, Spiegelau, St. Oswald, Schönanger/Neuschönau und Mauth (die außerhalb des Parkes bleiben können), eine Spazier- und Lagerzone in den Waldrand- und randnahen Waldgebieten im Gebiet der "warmen Hangzone", wo auch die Wildgehege, Waldlehrpfade sowie die Winterfütterungen mit Erlebnismöglichkeiten für Wildbeobachtungen und der Naturschutz- bzw. Urwaldgebiet sowie weiteren Lehrpfaden, Schutzhütten und -dächern Anwendung finden. Letztere bildet das eigentliche Kerngebiet des Nationalparkes, zumal die Bergfichtenwälder die naturnahesten Gebiete darstellen, und sollte auch ein Jagdbanngebiet werden.
Diese Vorschläge wurden Teil des Landtagsbeschlusses vom 11. Juni 1969.
Seilbahn und Skizirkus: große Tourismus-Pläne als Geburtshelfer
Teil 3 der Serie des Grafenauer Anzeiger zum Nationalpark-Geburtstag im Jahr 2020 - Michael Haug blickt auf die Anfangsjahre zurück
20.02.2018 | Stand 20.02.2018, 03:34 Uhr
Grafenau. Im dritten Teil geht es um den Tourismus, dem in den Jahren vor der Nationalpark-Gründung eine immer größere Bedeutung zukam.
"Das letzte Drittel der 60-er Jahre war eine spannende Zeit für den gesamten Bayerischen Wald. Auf der einen Seite die Entwicklungsstrategen. Es war allgemein bekannt, dass der Bayerische Wald wirtschaftlich unterentwickelt war. Es bestand wohl wenig Hoffnung, dass die Region zukunftsträchtige Industrie an Land ziehen konnte.
Für die Schaffung von Arbeitsplätzen schien die Entwicklung des Tourismus eine große Chance. Deswegen kamen vielfältige Vorschläge ans Tageslicht. Der schneesichere Bayerische Wald bot vor allem Möglichkeiten für den Wintersport. Der aufkommende Trend führte über die ganze Region zu zahlreichen Initiativen. Die Investitionen wurden durch staatliche Wirtschafts-Fördermittel unterstützt.
Die Wälder entlang der Grenze waren jedoch weitgehend in staatlichem Besitz. Ohne die Zustimmung und Bereitschaft zur Unterstützung war hier wenig auszurichten. Am Dreisessel entstand damals der längste Schlepplift Deutschlands. Auf den Südwesthängen des Dreiländerbergs wurde eine breite Schneise in den Wald geschlagen.
Die Kreisstraße, die ebenfalls in dieser Zeit an die Gipfelregion des Dreisessel gebaut wurde, musste mit zwei (besonders hässlichen) Betonbrücken überspannt werden, je eine für die Lift-Trasse und eine für die Abfahrt. Am Almberg entstand in dieser Zeit ebenfalls eine neue Abfahrt, die an den Südwesthängen in den Staatswald geschlagen wurde.
Damit das Skifahren möglich ist, mussten umfangreiche Planierungen durchgeführt werden. Solche nachhaltigen Veränderungen des Landschaftsbildes und Eingriffe in den Naturhaushalt riefen - verständlicherweise - die Naturschützer auf den Plan.
Auslöser für die massiven Forderungen nach einem Nationalpark im Rachel-Lusen-Gebiet waren ähnliche Pläne, die die Landschaft noch wesentlich stärker in Mitleidenschaft gezogen hätten.
So gab es beispielsweise die Vorstellung, vom oberen Reschbachtal einen Sessellift in Richtung Lusen zu bauen, verbunden mit entsprechenden Schneisen für die Abfahrt mit Skiern. In Spiegelau entstand die Vorstellung, eine Seilbahn auf den Rachel zu bauen und in der Gegend der Fredenbrücke sollten die Hänge in Richtung Plattenhauser und Spitzberg in einen Skizirkus umgewandelt werden.
In Waldhäuser war in Privatinitiative ein attraktives Angebot für den alpinen Skilauf entstanden. Der zuständige Naturschutz-Fachmann, der mit all diesen Plänen konfrontiert wurde, war während dieser Jahre Diplomforstwirt Hubert Weinzierl, der bei der Regierung von Niederbayern das Amt des "Beauftragten für Naturschutz" bekleidete. Dieses Amt wurde seinerzeit ehrenamtlich vergeben. Hauptamtliche, für Naturschutzfragen zuständige Bedienstete, gab es seinerzeit weder bei der Regierung noch bei den Landratsämtern.
Die Naturschützer standen vor einem schwer lösbaren Dilemma: "Ihr könnt nicht ständig Nein sagen!" Aus den persönlichen Bekenntnissen von Hubert Weinzierl geht hervor, dass die vielfältigen und massiven Entwicklungsvorstellungen seitens der Wirtschaftsstrategen der Auslöser dafür waren, dass er die Pläne wieder aufgriff, die eigentlich schon Anfang der 50-er Jahre endgültig zu den Akten gelegt worden waren:"Versucht es doch mit einem Nationalpark. Deutschland hat zwar schon 40 Naturparke, aber bislang noch keinen echten Nationalpark!"
20.02.2018 | Stand 20.02.2018, 03:34 Uhr
Grafenau. Im dritten Teil geht es um den Tourismus, dem in den Jahren vor der Nationalpark-Gründung eine immer größere Bedeutung zukam.
"Das letzte Drittel der 60-er Jahre war eine spannende Zeit für den gesamten Bayerischen Wald. Auf der einen Seite die Entwicklungsstrategen. Es war allgemein bekannt, dass der Bayerische Wald wirtschaftlich unterentwickelt war. Es bestand wohl wenig Hoffnung, dass die Region zukunftsträchtige Industrie an Land ziehen konnte.
Für die Schaffung von Arbeitsplätzen schien die Entwicklung des Tourismus eine große Chance. Deswegen kamen vielfältige Vorschläge ans Tageslicht. Der schneesichere Bayerische Wald bot vor allem Möglichkeiten für den Wintersport. Der aufkommende Trend führte über die ganze Region zu zahlreichen Initiativen. Die Investitionen wurden durch staatliche Wirtschafts-Fördermittel unterstützt.
Die Wälder entlang der Grenze waren jedoch weitgehend in staatlichem Besitz. Ohne die Zustimmung und Bereitschaft zur Unterstützung war hier wenig auszurichten. Am Dreisessel entstand damals der längste Schlepplift Deutschlands. Auf den Südwesthängen des Dreiländerbergs wurde eine breite Schneise in den Wald geschlagen.
Die Kreisstraße, die ebenfalls in dieser Zeit an die Gipfelregion des Dreisessel gebaut wurde, musste mit zwei (besonders hässlichen) Betonbrücken überspannt werden, je eine für die Lift-Trasse und eine für die Abfahrt. Am Almberg entstand in dieser Zeit ebenfalls eine neue Abfahrt, die an den Südwesthängen in den Staatswald geschlagen wurde.
Damit das Skifahren möglich ist, mussten umfangreiche Planierungen durchgeführt werden. Solche nachhaltigen Veränderungen des Landschaftsbildes und Eingriffe in den Naturhaushalt riefen - verständlicherweise - die Naturschützer auf den Plan.
Auslöser für die massiven Forderungen nach einem Nationalpark im Rachel-Lusen-Gebiet waren ähnliche Pläne, die die Landschaft noch wesentlich stärker in Mitleidenschaft gezogen hätten.
So gab es beispielsweise die Vorstellung, vom oberen Reschbachtal einen Sessellift in Richtung Lusen zu bauen, verbunden mit entsprechenden Schneisen für die Abfahrt mit Skiern. In Spiegelau entstand die Vorstellung, eine Seilbahn auf den Rachel zu bauen und in der Gegend der Fredenbrücke sollten die Hänge in Richtung Plattenhauser und Spitzberg in einen Skizirkus umgewandelt werden.
In Waldhäuser war in Privatinitiative ein attraktives Angebot für den alpinen Skilauf entstanden. Der zuständige Naturschutz-Fachmann, der mit all diesen Plänen konfrontiert wurde, war während dieser Jahre Diplomforstwirt Hubert Weinzierl, der bei der Regierung von Niederbayern das Amt des "Beauftragten für Naturschutz" bekleidete. Dieses Amt wurde seinerzeit ehrenamtlich vergeben. Hauptamtliche, für Naturschutzfragen zuständige Bedienstete, gab es seinerzeit weder bei der Regierung noch bei den Landratsämtern.
Die Naturschützer standen vor einem schwer lösbaren Dilemma: "Ihr könnt nicht ständig Nein sagen!" Aus den persönlichen Bekenntnissen von Hubert Weinzierl geht hervor, dass die vielfältigen und massiven Entwicklungsvorstellungen seitens der Wirtschaftsstrategen der Auslöser dafür waren, dass er die Pläne wieder aufgriff, die eigentlich schon Anfang der 50-er Jahre endgültig zu den Akten gelegt worden waren:"Versucht es doch mit einem Nationalpark. Deutschland hat zwar schon 40 Naturparke, aber bislang noch keinen echten Nationalpark!"
Ein wichtiger Motor der Nationalpark-Idee
Teil 4 der Serie des Grafenauer Anzeiger zum Nationalpark-Jubiläum im Jahr 2020 - Heute: die Rolle von Karl Bayer
05.04.2018 | Stand 04.04.2018, 18:26 Uhr
Grafenau. Im vierten Teil der Serie geht es um einen der wichtigsten Streiter für den Nationalpark - nämlich den Grafenauer Karl Bayer (*1925, †1995).Foto: Egon M. Binder/PNP/Grafenauer AnzeigerSo stellt z. B. Georg Sperber in einem Vortrag vom September 2000 fest: "Der Naturschutz-Stratege Hubert Weinzierl, der populäre Nationalpark-Experte Bernhard Grzimek und der Pragmatiker Karl Bayer ergänzten sich ideal zur Führungsspitze der Nationalparkbewegung!"
Wer war Karl Bayer? Er stammte aus Unterfranken, hatte Forstwissenschaft studiert und war nach seiner Referendarzeit zunächst Beamter in Diensten der staatlichen Forstverwaltung, Mitarbeiter im staatlichen Sägewerk in Spiegelau, später Forstmeister beim staatlichen Forstamt Spiegelau. Bei den Wahlen zum Bayerischen Landtag im Jahr 1962 kandidierte er für die SPD und erreichte ein Landtagsmandat. Damit wechselte er aus dem Forstdienst in die Politik. Sein kommunales Engagement trug bereits im Jahr 1964 - damals völlig überraschend - erste Früchte.
Im Landkreis Grafenau wurde der etablierte CSU-Landrat Bogenstätter bei den Kommunalwahlen abgewählt. Mit knappem Ergebnis konnte Bayer damals sensationell den Landrats-Sessel in Grafenau erobern. Sein Mandat als Landtagsabgeordneter erlosch nach einer Legislaturperiode 1966, weil zwischenzeitlich eine gesetzliche Regelung geschaffen wurde, dass die beiden Ämter nicht mehr gleichzeitig ausgeübt werden dürfen.
Als Landrat von Grafenau wurde im letzten Drittel der 60er Jahre zur Speerspitze der regionalen Befürworter des Nationalparks. Aufgrund seiner forstlichen Vergangenheit kannte er die Wälder und war entsprechend fachlich versiert. Seine landespolitischen Erfahrungen als Abgeordneter kamen ihm zu Gute und er kannte die Forstverwaltung als Insider.
Mit seiner umgänglichen Art und seiner Beredsamkeit kam er bei der Bevölkerung gut an. Zentrale Ursache seines erfolgreichen Einsatzes für den Nationalpark war jedoch sein Organisationstalent und seine Durchsetzungsfähigkeit. Ihm gelang es in kurzer Zeit, dass der Eindruck entstehen konnte, die gesamte Region steht einmütig hinter der Idee, dass im Gebiet zwischen Rachel und Lusen ein Nationalpark entstehen soll.Bedenken, die von verschiedensten Seiten vorgebracht wurden, konnte er wirksam in Schach halten. Vor allem gelang es ihm, dass die Wünsche entsprechend massiv und wirksam "nach oben" vertreten wurden und dass er bei der Regierung von Niederbayern qualifizierte Mitarbeiter gewinnen konnte, an der Spitze der Regierungspräsidenten Johann Riederer.
Auf kommunaler Ebene entstand - landkreisübergreifend - ein Zweckverband, der die Pläne vorantreiben sollte. Die Landkreise Wegscheid mit dem damaligen Landrat Muthmann sowie die Landkreise Wolfstein und Grafenau, marschierten in dieser Sache gemeinsam.
Karl Bayer war sehr offen gegenüber den Beamten und Angestellten die seit November 1969 mit der Verwirklichung der Pläne für den Nationalpark beauftragt waren. Es war allgemein bekannt, dass die Bayerische Staatliche Forstverwaltung in München und die Oberforstdirektion in Regensburg der Idee eines Nationalparks gegenüber sehr skeptisch bis ablehnend gegenüber standen. Er unterstützte das neue Nationalparkamt tatkräftig und machte immer wieder seinen kommunalpolitischen Einfluss geltend.
Als Vorsitzender der Fremdenverkehrsgemeinschaft Grafenau war er maßgeblich daran beteiligt, dass in den Anfangsjahren eine dringend notwendige Infrastruktur für die Besucher des Nationalparks geschaffen wurde. Nach der kommunalen Gebietsreform (Zusammenlegung des Landkreises Wolfstein und Grafenau) verlor Bayer sein Amt als Landrat. In der Folgezeit war er Bürgermeister der Stadt Grafenau.
Teil 4 der Serie des Grafenauer Anzeiger zum Nationalpark-Jubiläum im Jahr 2020 - Heute: die Rolle von Karl Bayer
05.04.2018 | Stand 04.04.2018, 18:26 Uhr
Grafenau. Im vierten Teil der Serie geht es um einen der wichtigsten Streiter für den Nationalpark - nämlich den Grafenauer Karl Bayer (*1925, †1995).Foto: Egon M. Binder/PNP/Grafenauer AnzeigerSo stellt z. B. Georg Sperber in einem Vortrag vom September 2000 fest: "Der Naturschutz-Stratege Hubert Weinzierl, der populäre Nationalpark-Experte Bernhard Grzimek und der Pragmatiker Karl Bayer ergänzten sich ideal zur Führungsspitze der Nationalparkbewegung!"
Wer war Karl Bayer? Er stammte aus Unterfranken, hatte Forstwissenschaft studiert und war nach seiner Referendarzeit zunächst Beamter in Diensten der staatlichen Forstverwaltung, Mitarbeiter im staatlichen Sägewerk in Spiegelau, später Forstmeister beim staatlichen Forstamt Spiegelau. Bei den Wahlen zum Bayerischen Landtag im Jahr 1962 kandidierte er für die SPD und erreichte ein Landtagsmandat. Damit wechselte er aus dem Forstdienst in die Politik. Sein kommunales Engagement trug bereits im Jahr 1964 - damals völlig überraschend - erste Früchte.
Im Landkreis Grafenau wurde der etablierte CSU-Landrat Bogenstätter bei den Kommunalwahlen abgewählt. Mit knappem Ergebnis konnte Bayer damals sensationell den Landrats-Sessel in Grafenau erobern. Sein Mandat als Landtagsabgeordneter erlosch nach einer Legislaturperiode 1966, weil zwischenzeitlich eine gesetzliche Regelung geschaffen wurde, dass die beiden Ämter nicht mehr gleichzeitig ausgeübt werden dürfen.
Als Landrat von Grafenau wurde im letzten Drittel der 60er Jahre zur Speerspitze der regionalen Befürworter des Nationalparks. Aufgrund seiner forstlichen Vergangenheit kannte er die Wälder und war entsprechend fachlich versiert. Seine landespolitischen Erfahrungen als Abgeordneter kamen ihm zu Gute und er kannte die Forstverwaltung als Insider.
Mit seiner umgänglichen Art und seiner Beredsamkeit kam er bei der Bevölkerung gut an. Zentrale Ursache seines erfolgreichen Einsatzes für den Nationalpark war jedoch sein Organisationstalent und seine Durchsetzungsfähigkeit. Ihm gelang es in kurzer Zeit, dass der Eindruck entstehen konnte, die gesamte Region steht einmütig hinter der Idee, dass im Gebiet zwischen Rachel und Lusen ein Nationalpark entstehen soll.Bedenken, die von verschiedensten Seiten vorgebracht wurden, konnte er wirksam in Schach halten. Vor allem gelang es ihm, dass die Wünsche entsprechend massiv und wirksam "nach oben" vertreten wurden und dass er bei der Regierung von Niederbayern qualifizierte Mitarbeiter gewinnen konnte, an der Spitze der Regierungspräsidenten Johann Riederer.
Auf kommunaler Ebene entstand - landkreisübergreifend - ein Zweckverband, der die Pläne vorantreiben sollte. Die Landkreise Wegscheid mit dem damaligen Landrat Muthmann sowie die Landkreise Wolfstein und Grafenau, marschierten in dieser Sache gemeinsam.
Karl Bayer war sehr offen gegenüber den Beamten und Angestellten die seit November 1969 mit der Verwirklichung der Pläne für den Nationalpark beauftragt waren. Es war allgemein bekannt, dass die Bayerische Staatliche Forstverwaltung in München und die Oberforstdirektion in Regensburg der Idee eines Nationalparks gegenüber sehr skeptisch bis ablehnend gegenüber standen. Er unterstützte das neue Nationalparkamt tatkräftig und machte immer wieder seinen kommunalpolitischen Einfluss geltend.
Als Vorsitzender der Fremdenverkehrsgemeinschaft Grafenau war er maßgeblich daran beteiligt, dass in den Anfangsjahren eine dringend notwendige Infrastruktur für die Besucher des Nationalparks geschaffen wurde. Nach der kommunalen Gebietsreform (Zusammenlegung des Landkreises Wolfstein und Grafenau) verlor Bayer sein Amt als Landrat. In der Folgezeit war er Bürgermeister der Stadt Grafenau.
Gipfeltreffen auf dem LusenTeil 5 der GA-Serie zum Nationalparkjubiläum 2020 - Kontroverse Diskussion auf dem "Deutschen Naturschutztag" vor 50 Jahren
Foto:privatDer Grafenauer Landrat Karl Bayer (r.) und Niederbayerns Naturschutzbeauftragter Hubert Weinzierl (l.) diskutierten mit dem Weihenstephaner Prof. Wolfgang Haber am Lusengipfel über die Nationalparkprobleme. - F.: Repro PNPIm fünften Teil der Serie geht es um ein wichtiges Gipfeltreffen am Lusen, das sich dieser Tage gejährt hat.
"An der Technischen Hochschule Weihenstephan wurde auch unter den Studenten relativ grundsätzlich über das Ansinnen diskutiert, in Deutschland einen ersten Nationalpark einzurichten. Gab es doch so etwas in Deutschland bis dato nicht.
Der damalige Leiter des Instituts für Landschaftspflege, Wolfgang Haber, hatte zu Anfang des Jahres sein Gutachten erstellt, das die Fachstellen nachdrücklich beschäftigte.Für mich gab es die Möglichkeit, an dieser denkwürdigen Veranstaltung teilzunehmen, am Donnerstag in dieser Woche, vor genau 50 Jahren.
So war ich am 21. Juni 1968 mit dabei, als das Gipfel-Treffen am Lusen stattfand und ich konnte live miterleben, wie dort die Argumente ausgetauscht wurden. Nicht im Traum konnte ich mir dennoch vorstellen, dass ich dazu - ein Jahr später - berufen wurde, an den Planungen mitzuwirken und schließlich einer der ersten Mitarbeiter wurde, der mit der Verwirklichung der Projekte betraut wurde.
Auf der Seite der Befürworter der Nationalpark-Idee stand zuvorderst der damalige Naturschutzbeauftragte bei der Regierung von Niederbayern, Dipl. Forstwirt Hubert Weinzierl.
Er hat dieses Ereignis in einem Buch festgehalten, das noch im Jahr 1968 beim Morsak-Verlag erschienen ist. "Deutschlands Nationalpark im Bayerischen Wald" und mit Untertitel - "soll Wirklichkeit werden!"
Dort heißt es unter dem Datum 19. Juni 1968: "In Straubing beginnt die größte Naturschutzveranstaltung, die wir in der Bundesrepublik kennen, der Deutsche Naturschutztag 1968. Im Mittelpunkt der Verhandlungen und Exkursionen steht natürlich der Nationalpark."
Die Presse berichtet: "Für eine ,ehrliche Lösung‘ des Nationalpark-Problems hat sich der Naturschutzbeauftragte von Niederbayern bei der Eröffnung des Deutschen Naturschutztages 1968 in Straubing ausgesprochen. An der Veranstaltung, der größten der deutschen Naturschutzbewegung, nahmen zahlreiche namhafte Naturschutzexperten aus der ganzen Bundesrepublik teil.
(...) Nicht zuletzt haben diese Exkursionen in den Bayerischen Wald den Zweck, die Teilnehmer am Naturschutztag in jene Gebiete zu bringen, die für den Nationalpark Bayerischer Wald ins Auge gefasst worden sind. Niederbayern verdankt es seinem Naturschutzbeauftragten, dass diese größte Veranstaltung der deutschen Naturschutzbewegung aus aktuellem Anlass (Nationalpark) in Straubing und nicht, wie zunächst vorgesehen, in Osnabrück stattfindet."
Und unter dem Datum 21. Juni 1968 steht zu lesen: "Etwa dreihundert Naturschutzexperten aus der ganzen Bundesrepublik und dem Ausland versammeln sich zu einer ,Gipfelkonferenz‘ - auf dem Lusengipfel nämlich. Professor Haber und Naturschutzbeauftragter Weinzierl verteidigen ihre Ideen, allerdings ohne nennenswerte Gegensätze... Die Nationalparkanhänger appellieren an Professor Haber, "seinem eigenen Gutachten treu zu bleiben". Die Stimmung der Teilnehmer ist allen Unkenrufen zum Trotz höchst positiv!"
Professor Dr. Wolfgang Haber bezeichnete den Bayerischen Wald als ein Gebiet mit geradezu historischer Bedeutung in der Diskussion um den Naturschutz in Deutschland. Der Bayerische Wald sei dazu ausersehen, eine Naturschutzeinrichtung zu tragen, wie sie in Deutschland bisher noch nicht vorhanden sei: einen Nationalpark. Die rund zweijährige Diskussion habe als Ergebnis gehabt, dass sich drei Forderungen herauskristallisiert hätten, die nunmehr miteinander zu vereinbaren wären. Einmal bestehe der Wunsch nach einem großen, vollen Naturschutzgebiet ohne menschliche Eingriffe, weiter der Wunsch, ein großes Wildrefugium zu schaffen und schließlich wolle man damit ein großräumiges Erholungsgebiet einrichten.
Haber bezeichnete in seinen Ausführungen den Bayerischen Wald als "eine Kostbarkeit in Mitteleuropa". Hier fänden sich in den Hochlagen noch wertvolle Fichtenbestände, an denen auch die forstliche Bewirtschaftung nicht viel verändert habe. Dr. Haber zollte im übrigen der Forstverwaltung großes Lob dafür, dass sie den Bayerischen Wald in einem Zustand erhalte, der den Besuch des Waldes zu einem Erlebnis werden lasse. Wenn dieses Waldgebiet andererseits in verstärktem Umfang dem Fremdenverkehr eröffnet werden solle, so müsse man Kompromisse zwischen Fremdenverkehr und Naturschutz schließen.
"An der Technischen Hochschule Weihenstephan wurde auch unter den Studenten relativ grundsätzlich über das Ansinnen diskutiert, in Deutschland einen ersten Nationalpark einzurichten. Gab es doch so etwas in Deutschland bis dato nicht.
Der damalige Leiter des Instituts für Landschaftspflege, Wolfgang Haber, hatte zu Anfang des Jahres sein Gutachten erstellt, das die Fachstellen nachdrücklich beschäftigte.Für mich gab es die Möglichkeit, an dieser denkwürdigen Veranstaltung teilzunehmen, am Donnerstag in dieser Woche, vor genau 50 Jahren.
So war ich am 21. Juni 1968 mit dabei, als das Gipfel-Treffen am Lusen stattfand und ich konnte live miterleben, wie dort die Argumente ausgetauscht wurden. Nicht im Traum konnte ich mir dennoch vorstellen, dass ich dazu - ein Jahr später - berufen wurde, an den Planungen mitzuwirken und schließlich einer der ersten Mitarbeiter wurde, der mit der Verwirklichung der Projekte betraut wurde.
Auf der Seite der Befürworter der Nationalpark-Idee stand zuvorderst der damalige Naturschutzbeauftragte bei der Regierung von Niederbayern, Dipl. Forstwirt Hubert Weinzierl.
Er hat dieses Ereignis in einem Buch festgehalten, das noch im Jahr 1968 beim Morsak-Verlag erschienen ist. "Deutschlands Nationalpark im Bayerischen Wald" und mit Untertitel - "soll Wirklichkeit werden!"
Dort heißt es unter dem Datum 19. Juni 1968: "In Straubing beginnt die größte Naturschutzveranstaltung, die wir in der Bundesrepublik kennen, der Deutsche Naturschutztag 1968. Im Mittelpunkt der Verhandlungen und Exkursionen steht natürlich der Nationalpark."
Die Presse berichtet: "Für eine ,ehrliche Lösung‘ des Nationalpark-Problems hat sich der Naturschutzbeauftragte von Niederbayern bei der Eröffnung des Deutschen Naturschutztages 1968 in Straubing ausgesprochen. An der Veranstaltung, der größten der deutschen Naturschutzbewegung, nahmen zahlreiche namhafte Naturschutzexperten aus der ganzen Bundesrepublik teil.
(...) Nicht zuletzt haben diese Exkursionen in den Bayerischen Wald den Zweck, die Teilnehmer am Naturschutztag in jene Gebiete zu bringen, die für den Nationalpark Bayerischer Wald ins Auge gefasst worden sind. Niederbayern verdankt es seinem Naturschutzbeauftragten, dass diese größte Veranstaltung der deutschen Naturschutzbewegung aus aktuellem Anlass (Nationalpark) in Straubing und nicht, wie zunächst vorgesehen, in Osnabrück stattfindet."
Und unter dem Datum 21. Juni 1968 steht zu lesen: "Etwa dreihundert Naturschutzexperten aus der ganzen Bundesrepublik und dem Ausland versammeln sich zu einer ,Gipfelkonferenz‘ - auf dem Lusengipfel nämlich. Professor Haber und Naturschutzbeauftragter Weinzierl verteidigen ihre Ideen, allerdings ohne nennenswerte Gegensätze... Die Nationalparkanhänger appellieren an Professor Haber, "seinem eigenen Gutachten treu zu bleiben". Die Stimmung der Teilnehmer ist allen Unkenrufen zum Trotz höchst positiv!"
Professor Dr. Wolfgang Haber bezeichnete den Bayerischen Wald als ein Gebiet mit geradezu historischer Bedeutung in der Diskussion um den Naturschutz in Deutschland. Der Bayerische Wald sei dazu ausersehen, eine Naturschutzeinrichtung zu tragen, wie sie in Deutschland bisher noch nicht vorhanden sei: einen Nationalpark. Die rund zweijährige Diskussion habe als Ergebnis gehabt, dass sich drei Forderungen herauskristallisiert hätten, die nunmehr miteinander zu vereinbaren wären. Einmal bestehe der Wunsch nach einem großen, vollen Naturschutzgebiet ohne menschliche Eingriffe, weiter der Wunsch, ein großes Wildrefugium zu schaffen und schließlich wolle man damit ein großräumiges Erholungsgebiet einrichten.
Haber bezeichnete in seinen Ausführungen den Bayerischen Wald als "eine Kostbarkeit in Mitteleuropa". Hier fänden sich in den Hochlagen noch wertvolle Fichtenbestände, an denen auch die forstliche Bewirtschaftung nicht viel verändert habe. Dr. Haber zollte im übrigen der Forstverwaltung großes Lob dafür, dass sie den Bayerischen Wald in einem Zustand erhalte, der den Besuch des Waldes zu einem Erlebnis werden lasse. Wenn dieses Waldgebiet andererseits in verstärktem Umfang dem Fremdenverkehr eröffnet werden solle, so müsse man Kompromisse zwischen Fremdenverkehr und Naturschutz schließen.
Als die Motorsäge Arbeitsplätze fraß
6. Teil der GA-Serie zum Nationalparkjubiläum 2020 - Wirtschaftliche Situation im "Ostbayerischen Grenzgebirge"
PNP 29.06.2018 | Stand 28.06.2018, 16:20 Uhr
Michael Haug ,Foto:PNP,Andreas Nigl
Er begleitete die Entstehung des Nationalparks von der ersten Stunde an: Michael Haug. - F.: Nigl
Grafenau.Im sechsten Teil der Serie geht es um die wirtschaftliche Situation im "Ostbayerischen Grenzgebirge".
"Wenn man die Situation und die Rahmenbedingungen verstehen will, die zur Entstehung des Nationalparks führten, dann lohnt es sich, einen Blick zu werfen auf die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Zeit.Problem-Region, Armenhaus Deutschlands, Strukturschwäche, Abgehängt vom Wirtschaftswunder - die volkswirtschaftlichen Kernzahlen gehörten mit zu den schlechtesten in Deutschland. Niedriges Bruttosozialprodukt, hohe Arbeitslosen-Quote, zahlreiche Fern-Pendler, die ihr Geld in den Großstädten verdienten und nur an den Wochenenden bei ihren Familien weilten. Manche Ortschaften im Bayerischen Wald, vor allem in der Nähe der Grenze, hatten eine Arbeitslosen-Quote, die im Winter bei 40 Prozent lag.
Zu den ungünstigen Lebensbedingungen trug oft auch die hohe Zahl der Kinder in den Familien bei. Hinzu kam eine denkbar schlechte Agrar-Struktur. Die durchschnittliche Größe der landwirtschaftlichen Betriebe betrug sechs bis sieben Hektar und aus Brüssel kam die Kunde, dass diese Art Landwirtschaft auf Dauer keine Zukunft hat. Viele landwirtschaftlichen Flächen waren nass oder stark hängig und darüber hinaus schlecht erschlossen.
Das Straßen- und Wegenetz befand sich nicht selten in einem katastrophalen Zustand. Der so genannte "Mansholt-Plan" der EU sorgte für erhebliche Unruhe. In der Grenznähe war einer der wichtigsten Arbeitgeber die staatliche Forstverwaltung.
Gegen Ende der 60-er Jahre war die Umstellung der Waldarbeit in vollem Gange. Die Motorsäge trat ihren Siegeszug an. Die Arbeit im Winter, wo früher das Holz mit den Zug-Schlitten zu Tal gebracht wurde, ging unaufhaltsam ihrem Ende entgegen. Der Holztransport auf dem Wasser, die Trift, wurde sukzessive aufgegeben.
Mit dem Bau eines Netzes aus Forst-Straßen konnten nun auch entlegene Waldorte mit dem LKW angefahren werden. Die zunehmende Motorisierung im Wald kostete selbstverständlich in zunehmendem Maße Arbeitsplätze. Bei der Forstverwaltung war man zunächst zurückhaltend im Hinblick auf die Entlassung von Arbeitskräften. Es war aber unübersehbar, dass die staatlichen Forstämter vollständig überausgestattet waren mit Arbeitskräften. Die Angst um den Verlust dieser, bislang relativ sicheren Arbeitsplätze ging um. Die Hoffnung, dass sich in der Region neue Arbeitsplätze entwickeln könnten, z. B. in Industrie oder Gewerbe, war relativ gering.So wurde das Gebiet zum bevorzugten Arbeitsraum von Nationalökonomen, Entwicklungsstrategen und Strukturpolitikern. Neue Ideen waren gefragt, innovative Konzepte in der Landesplanung und in der staatlichen Förderung. Unumstritten war zunächst, dass die Region für die Entwicklung des Tourismus besonders gut geeignet ist. Deswegen konzentrierten sich die Bemühungen um eine Verbesserung der Einkommenssituation auf die Förderung von Maßnahmen des Fremdenverkehrs.
Mit einem "nationalen" Projekt in Sachen Tourismus verband sich auch die Hoffnung, dass sich der Bund engagieren könnte. Ein "Nationalpark" müsste doch auch aus den Kassen der Bundesrepublik gefördert werden.Hier entstand freilich ein grundsätzlicher Konflikt. Wenn die Natur strenger geschützt werden soll, dann bedeutet das doch unterm Strich, dass damit auch die Arbeit im Wald als wichtige Einnahmequelle wegfallen würde.Die Gewerkschaft der Waldarbeiter war demnach konsequenter wie eine der wichtigsten Gegner eines Nationalpark-Projektes.
Er begleitete die Entstehung des Nationalparks von der ersten Stunde an: Michael Haug. - F.: Nigl
Grafenau.Im sechsten Teil der Serie geht es um die wirtschaftliche Situation im "Ostbayerischen Grenzgebirge".
"Wenn man die Situation und die Rahmenbedingungen verstehen will, die zur Entstehung des Nationalparks führten, dann lohnt es sich, einen Blick zu werfen auf die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Zeit.Problem-Region, Armenhaus Deutschlands, Strukturschwäche, Abgehängt vom Wirtschaftswunder - die volkswirtschaftlichen Kernzahlen gehörten mit zu den schlechtesten in Deutschland. Niedriges Bruttosozialprodukt, hohe Arbeitslosen-Quote, zahlreiche Fern-Pendler, die ihr Geld in den Großstädten verdienten und nur an den Wochenenden bei ihren Familien weilten. Manche Ortschaften im Bayerischen Wald, vor allem in der Nähe der Grenze, hatten eine Arbeitslosen-Quote, die im Winter bei 40 Prozent lag.
Zu den ungünstigen Lebensbedingungen trug oft auch die hohe Zahl der Kinder in den Familien bei. Hinzu kam eine denkbar schlechte Agrar-Struktur. Die durchschnittliche Größe der landwirtschaftlichen Betriebe betrug sechs bis sieben Hektar und aus Brüssel kam die Kunde, dass diese Art Landwirtschaft auf Dauer keine Zukunft hat. Viele landwirtschaftlichen Flächen waren nass oder stark hängig und darüber hinaus schlecht erschlossen.
Das Straßen- und Wegenetz befand sich nicht selten in einem katastrophalen Zustand. Der so genannte "Mansholt-Plan" der EU sorgte für erhebliche Unruhe. In der Grenznähe war einer der wichtigsten Arbeitgeber die staatliche Forstverwaltung.
Gegen Ende der 60-er Jahre war die Umstellung der Waldarbeit in vollem Gange. Die Motorsäge trat ihren Siegeszug an. Die Arbeit im Winter, wo früher das Holz mit den Zug-Schlitten zu Tal gebracht wurde, ging unaufhaltsam ihrem Ende entgegen. Der Holztransport auf dem Wasser, die Trift, wurde sukzessive aufgegeben.
Mit dem Bau eines Netzes aus Forst-Straßen konnten nun auch entlegene Waldorte mit dem LKW angefahren werden. Die zunehmende Motorisierung im Wald kostete selbstverständlich in zunehmendem Maße Arbeitsplätze. Bei der Forstverwaltung war man zunächst zurückhaltend im Hinblick auf die Entlassung von Arbeitskräften. Es war aber unübersehbar, dass die staatlichen Forstämter vollständig überausgestattet waren mit Arbeitskräften. Die Angst um den Verlust dieser, bislang relativ sicheren Arbeitsplätze ging um. Die Hoffnung, dass sich in der Region neue Arbeitsplätze entwickeln könnten, z. B. in Industrie oder Gewerbe, war relativ gering.So wurde das Gebiet zum bevorzugten Arbeitsraum von Nationalökonomen, Entwicklungsstrategen und Strukturpolitikern. Neue Ideen waren gefragt, innovative Konzepte in der Landesplanung und in der staatlichen Förderung. Unumstritten war zunächst, dass die Region für die Entwicklung des Tourismus besonders gut geeignet ist. Deswegen konzentrierten sich die Bemühungen um eine Verbesserung der Einkommenssituation auf die Förderung von Maßnahmen des Fremdenverkehrs.
Mit einem "nationalen" Projekt in Sachen Tourismus verband sich auch die Hoffnung, dass sich der Bund engagieren könnte. Ein "Nationalpark" müsste doch auch aus den Kassen der Bundesrepublik gefördert werden.Hier entstand freilich ein grundsätzlicher Konflikt. Wenn die Natur strenger geschützt werden soll, dann bedeutet das doch unterm Strich, dass damit auch die Arbeit im Wald als wichtige Einnahmequelle wegfallen würde.Die Gewerkschaft der Waldarbeiter war demnach konsequenter wie eine der wichtigsten Gegner eines Nationalpark-Projektes.
7. Teil der GA-Serie zum Nationalparkjubiläum 2020 Der erste Nationalpark-Antrag kam von der NPDNächster Teil der GA-Serie zum 50. Geburtstag des Nationalparks - so agierte die große Politik
28.02.2019 | Stand 27.02.2019, 17:05 UhrGrafenau. Den ersten Antrag an den Bayerischen Landtag für die Errichtung eines Nationalparks hatte seinerzeit die NPD gestellt (Juni 1967). Dort heißt es, der Landtag wolle beschließen, einem Nationalpark "im Staatsforstgebiet um den Lusen" zuzustimmen. Und "unter der Federführung der Staatsregierung soll ein Zweckverband" gebildet werden, in dem alle interessierten Gebietskörperschaften hinzugezogen werden sowie Sachverständige aller einschlägigen Fachgebiete. Dem Antrag der NPD folgten - ein halbes Jahr später (!) - jeweils Anträge der CSU und der SPD (17. Januar 1968). Es dauerte freilich noch ein ganzes Jahr, bis sich die zuständigen Ausschüsse des Bayerischen Landtags mit der Nationalpark-Frage beschäftigten.Am 22. Januar 1969 fand eine gemeinsame Sitzung der Ausschüsse für Grenzlandfragen sowie für Ernährung und Landwirtschaft statt.In der öffentlichen Diskussion, die sich über die gesamte bundesweite Presse zieht, gehen die Meinungen weit auseinander. Ganz wesentliche Kritik kommt aus den Reihen der Fachleute, die auf Bundesebene für Naturschutzfragen zuständig sind.
In einer ausführlichen Stellungnahme aus dem Bundeswirtschaftsministerium vom 23. Januar 1969 wird die Errichtung von Nationalparken in Deutschland als grundsätzlich undurchführbar erklärt. Dr. Offner entwickelt sich zu einem der engagiertesten Gegner der Idee, zusammen mit dem Präsidenten des Vereins Naturschutzpark e. V., auch Dr. Alfred Toepfer spricht sich nachdrücklich gegen diese Idee aus.
Der Staatssekretär im Bundesernährungsministerium, Neff, wiederholt diese Aussagen in einer Fragestunde des Deutschen Bundestages. Er hält es nicht für zweckmäßig, in Bayern einen "Nationalpark" mit wilden Tieren zu errichten. Er verkündet, dass sich die Bundesregierung dazu entschlossen habe, sich zu einem derartigen Projekt nicht zu beteiligen.
Eine besondere Aufmerksamkeit erfährt in dieser Zeit der "Kommentar zur bayerischen Landespolitik", der regelmäßig zum Wochenende im Bayerischen Rundfunk verlesen wird. Der renommierte Journalist, Bernhard Ücker, setzt sich mit den Plänen für einen Nationalpark auseinander: 25. Januar 1969.
Er meint, dass in dieser Sache eher ernüchternde Worte am Platze wären. Es ginge um eine "nationales Anliegen" und um eine "Fremdenattraktion im Bayerischen Wald", um einen "Markstein der bayerischen Kulturgeschichte" - , so die Abgeordneten im Bayerischen Landtag. Er mahnt zur Vernunft und meint, der Name oder Titel sei eher unwichtig. Nationalpark: dieses Wort und erinnert sofort an Aufseher, Dienstvorschriften und Maßregeln.
Und er schreibt: Finden wir doch einen frischeren Namen, nennen wir lieber das Projekt "Ferienland Bayerwald". Außerdem treibt ihn die Frage um, dass vielleicht dort der Bundesadler das Sagen haben könnte und nicht der Bayerische Löwe.
Der Namensstreit beherrscht über mehr als ein halbes Jahr die Szene. Und im Bayerischen Wald, genauer im südlichen Bayerischen Wald wächst die Erkenntnis, dass das Projekt zerredet werden könnte oder, dass vielleicht doch kein Erfolg der Bemühungen zu erwarten ist. Fieberhaft wird daran gearbeitet, wie der politische Druck erhöht werden könnte.
Die Kommunalpolitik im Raum Freyung an ihrer Spitze des damaligen Bürgermeisters Josef Lang hatte erkannt, dass es notwendig ist, die Interessen der Region nachhaltiger - auch in München zu vertreten.
Deswegen wurden zu den Beratungen der einschlägigen Ausschüsse im Bayerischen Landtag eigens Busreisen organisiert.
In einer ausführlichen Stellungnahme aus dem Bundeswirtschaftsministerium vom 23. Januar 1969 wird die Errichtung von Nationalparken in Deutschland als grundsätzlich undurchführbar erklärt. Dr. Offner entwickelt sich zu einem der engagiertesten Gegner der Idee, zusammen mit dem Präsidenten des Vereins Naturschutzpark e. V., auch Dr. Alfred Toepfer spricht sich nachdrücklich gegen diese Idee aus.
Der Staatssekretär im Bundesernährungsministerium, Neff, wiederholt diese Aussagen in einer Fragestunde des Deutschen Bundestages. Er hält es nicht für zweckmäßig, in Bayern einen "Nationalpark" mit wilden Tieren zu errichten. Er verkündet, dass sich die Bundesregierung dazu entschlossen habe, sich zu einem derartigen Projekt nicht zu beteiligen.
Eine besondere Aufmerksamkeit erfährt in dieser Zeit der "Kommentar zur bayerischen Landespolitik", der regelmäßig zum Wochenende im Bayerischen Rundfunk verlesen wird. Der renommierte Journalist, Bernhard Ücker, setzt sich mit den Plänen für einen Nationalpark auseinander: 25. Januar 1969.
Er meint, dass in dieser Sache eher ernüchternde Worte am Platze wären. Es ginge um eine "nationales Anliegen" und um eine "Fremdenattraktion im Bayerischen Wald", um einen "Markstein der bayerischen Kulturgeschichte" - , so die Abgeordneten im Bayerischen Landtag. Er mahnt zur Vernunft und meint, der Name oder Titel sei eher unwichtig. Nationalpark: dieses Wort und erinnert sofort an Aufseher, Dienstvorschriften und Maßregeln.
Und er schreibt: Finden wir doch einen frischeren Namen, nennen wir lieber das Projekt "Ferienland Bayerwald". Außerdem treibt ihn die Frage um, dass vielleicht dort der Bundesadler das Sagen haben könnte und nicht der Bayerische Löwe.
Der Namensstreit beherrscht über mehr als ein halbes Jahr die Szene. Und im Bayerischen Wald, genauer im südlichen Bayerischen Wald wächst die Erkenntnis, dass das Projekt zerredet werden könnte oder, dass vielleicht doch kein Erfolg der Bemühungen zu erwarten ist. Fieberhaft wird daran gearbeitet, wie der politische Druck erhöht werden könnte.
Die Kommunalpolitik im Raum Freyung an ihrer Spitze des damaligen Bürgermeisters Josef Lang hatte erkannt, dass es notwendig ist, die Interessen der Region nachhaltiger - auch in München zu vertreten.
Deswegen wurden zu den Beratungen der einschlägigen Ausschüsse im Bayerischen Landtag eigens Busreisen organisiert.
Teil 8 der GA Serie zum 50.Jubiläum des Nationalpark im Jahr 2020 - Das Infozentrum sollte nach St. Oswald ,Heute: Die Planungen von Koschel
Grafenau. Heute geht es um eine spannende Episode: Den Nationalpark-Plan vom Februar 1969 von Chr. V. Koschel aus Itzehoe.Die Idee, erstmals in Deutschland einen Nationalpark zu begründen, hat seinerzeit viele Menschen begeistert und angeregt. Hubert Weinzierl galt als Initiator und als örtlich zuständiger Naturschutz-Fachmann, und damit auch ein wichtiger Ansprechpartner für engagierter Fachleute.Im hohen Norden, in Schleswig-Holstein, gab es einen besonders engagierten Fachmann, der wohl von Hubert Weinzierl ermuntert worden war, seine Vorstellungen für die Entwicklung eines Nationalparks zu Papier zu bringen.Nach verschiedenen Besuchen in anderen europäischen Nationalparken, u.a. in Frankreich (Vanoise) und in der Schweiz sowie ausführlichen Erkundungen vor Ort, im Bayerischen Wald, brachte er seine Vorstellungen zu Papier. Das Ergebnis ist ein umfangreiches Planungswerk: Mehrere Dutzend Seiten Erläuterungstext.Verschiedene Pläne über die Gliederung des Gebietes. Detaillierte Vorstellungen über ein Lehr- und Beobachtungsgebiet mit Gehegen, Nationalparkhaus, Gesteinsgarten, Botanischer Garten, Falknerei, Parkplätze, Büros und Wohnhäuser für Bedienstete. Themen und Zeitplan für Führungen.Adressat für diese Planungen, die mit Sicherheit viele Wochen in Anspruch genommen hatten, ist der Naturschutzbeauftragte für Niederbayern, der damals - ehrenamtlich - für den Naturschutz des Regierungsbezirkes zuständig war.Hubert Weinzierl hat diese Unterlagen und den Schriftverkehr seinerzeit an das Nationalparkamt weiter geleitet, das erst im Herbst 1969 seine Tätigkeit aufgenommen hatte. Die damals verantwortlichen Staatsbeamten hatten freilich andere Vorgaben und darüber hinaus ihre eigenen Vorstellungen. So blieb dieses umfangreiche Planungswerk lediglich eine Episode in der spannenden Entwicklungsgeschichte des Nationalparks. So war das das Info-Zentrum und die „Gehegezone" seinerzeit im Gebiet zwischen Spiegelau und Siebenellen vorgesehen.Der Schwerpunkt des Geheges für Elch, Wisent, Wildschwein und Rotwild lag in dem Gebiet, das später zum Naturschutzgebiet Großer Filz mit Klosterfilz und umgebenden Filzteilen erklärt wurde.Das Info-Zentrum sollte am nördlichen Ortsrand von Riedlhütte entstehen, im sogenannten Neubruch. In Verbindung mit dem Nationalpark-Haus sollten nach den Vorstellungen von Chr. V. Koschel , u. a. auch eine meteorologische und hydrobiologische Station, Terrarium, Falknerei, Biberkolonie und ein „Raubwildgehege" für Luchs, Fuchs, Wildkatze, Dachs, Baummarder, große und kleine Wiesel, Iltis und Fischotter entstehen.Eine besonders bemerkenswerte Idee findet sich darüber hinaus in den Unterlagen. Der Nationalparkplaner macht sich Gedanken, wie man die örtliche Bevölkerung in die Arbeit des Nationalparks einbinden konnte.Im so genannten „Landschaftsschutzgürtel", der sich an den Nationalpark anschließen soll, konnte die einheimische Bevölkerung Souvenirs für die Besucher des Schutzgebietes fertigen. red
"Glücksfall" Hans Eisenmann
Teil 9 der GA-Serie zum 50. Geburtstag des Nationalparks - Wirken des Landwirtschaftsministers13.04.2019 | Stand 12.04.2019, 18:51 Uhr
Grafenau. Heute geht es um Entscheidungen in München, die sich als Glücksfall für den Nationalpark erweisen.
Am 11. März 1969 gibt es einen Wechsel im Landwirtschaftsministerium. Ein erfahrener Parlamentarier, Dr. Hans Eisenmann (Jahrgang 1923), löst den bisherigen Amtsinhaber Dr. Alois Hundhammer ab. Diese Personalentscheidung sollte sich in der Folgezeit als entscheidend für die weitere Entwicklung der Nationalparkfrage erweisen.
Wer war dieser neue Minister? Er stammt aus der Gegend von Pfaffenhofen. Während der letzten Kriegsjahre war er noch als Soldat (Flugzeugführer bei der Luftwaffe) eingesetzt. Nach Kriegsende begann er ein Studium, das er 1948 als Diplom-Landwirt abschloss. Er wurde in den Höheren Dienst übernommen (1950) und war seit 1954 Direktor des Landwirtschaftsamtes in Pfaffenhofen. Zunächst engagierte er sich in der Bayernpartei. Seit 1950 war er Abgeordneter im bayerischen Landtag, ab 1954 für die CSU. Von 1958 bis 1969 war er darüber hinaus Landrat im Landkreis Pfaffenhofen.
Als Eisenmann das Landwirtschaftsministerium übernahm, war er 46 Jahre alt und hatte schon eine bedeutende Karriere vorzuweisen. Er hat das Amt bis zu seinem Tode bekleidet.
Spannend ist auch die politische Entwicklung seines Vorgängers Dr. Alois Hundhammer - ein bayerisches politisches Urgestein. Er war Mitbegründer der CSU und der bayerischen verfassungsgebenden Landesversammlung. Wegen seiner Gegnerschaft zu den Nazis war er zeitweise im KZ Dachau inhaftiert.
Anfang der 50er Jahre wurde er Präsident des bayerischen Landtages und 1964 stellvertretender Ministerpräsident. Das Landwirtschaftsministerium leitete er 12 Jahre. Er zog sich 1969 aus gesundheitlichen Gründen aus der Politik zurück.
Kaum vorstellbar, dass unter seiner Ägide ein Nationalpark hätte entstehen können, zumal die Forstverwaltung, die in seinem Hause angesiedelt war, zu den erbittertsten Gegnern des Projekts zählte. Betrachtet man die Situation vor 50 Jahren, so befanden sich die Bemühungen in einer Sackgasse. Gewichtige Stimmen aus Bonn hatten sich entschieden gegen eine solche Idee ausgesprochen.
Und die Gegner einer Unterschutzstellung hatten sich auf den unterschiedlichsten Themenfeldern in Stellung gebracht. So kamen gewichtige Argumente von der Jagd-Lobby, aus dem Forstverein und aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Die regionalen Wirtschaftsverbände, wie beispielsweise der Sägewerksverband oder die Vertreter der Gewerkschaften, hatten sich zum Teil gegen das Projekt ausgesprochen.
Vor Ort, in den Landkreisen des südlichen Bayerischen Waldes, hatte man sich konkret auf das Gebiet um Rachel und Lusen konzentriert - auf den Staatswald, der hier einen geschlossenen Block darstellte. Es ist der Verdienst von Eisenmann, dass er nach einer politischen Lösung suchte, mit der letztlich die Befürworter und Gegner leben konnten.
Spannend dabei ist, dass er die naturschutzfachlichen Klippen zunächst vollständig außer acht ließ. Die Besitzverhältnisse im Gebiet waren eindeutig. Das gesamte Areal war Staatsbesitz und sein Ministerium war für die Verwaltung dieses Gebiets zuständig. Er hatte demnach einige Trümpfe in seiner Hand. Und die hat er schließlich vor dem bayerischen Parlament ausgespielt. In zwei Tagen, am 15. April, wäre er 96 Jahre alt geworden.
Wer war dieser neue Minister? Er stammt aus der Gegend von Pfaffenhofen. Während der letzten Kriegsjahre war er noch als Soldat (Flugzeugführer bei der Luftwaffe) eingesetzt. Nach Kriegsende begann er ein Studium, das er 1948 als Diplom-Landwirt abschloss. Er wurde in den Höheren Dienst übernommen (1950) und war seit 1954 Direktor des Landwirtschaftsamtes in Pfaffenhofen. Zunächst engagierte er sich in der Bayernpartei. Seit 1950 war er Abgeordneter im bayerischen Landtag, ab 1954 für die CSU. Von 1958 bis 1969 war er darüber hinaus Landrat im Landkreis Pfaffenhofen.
Als Eisenmann das Landwirtschaftsministerium übernahm, war er 46 Jahre alt und hatte schon eine bedeutende Karriere vorzuweisen. Er hat das Amt bis zu seinem Tode bekleidet.
Spannend ist auch die politische Entwicklung seines Vorgängers Dr. Alois Hundhammer - ein bayerisches politisches Urgestein. Er war Mitbegründer der CSU und der bayerischen verfassungsgebenden Landesversammlung. Wegen seiner Gegnerschaft zu den Nazis war er zeitweise im KZ Dachau inhaftiert.
Anfang der 50er Jahre wurde er Präsident des bayerischen Landtages und 1964 stellvertretender Ministerpräsident. Das Landwirtschaftsministerium leitete er 12 Jahre. Er zog sich 1969 aus gesundheitlichen Gründen aus der Politik zurück.
Kaum vorstellbar, dass unter seiner Ägide ein Nationalpark hätte entstehen können, zumal die Forstverwaltung, die in seinem Hause angesiedelt war, zu den erbittertsten Gegnern des Projekts zählte. Betrachtet man die Situation vor 50 Jahren, so befanden sich die Bemühungen in einer Sackgasse. Gewichtige Stimmen aus Bonn hatten sich entschieden gegen eine solche Idee ausgesprochen.
Und die Gegner einer Unterschutzstellung hatten sich auf den unterschiedlichsten Themenfeldern in Stellung gebracht. So kamen gewichtige Argumente von der Jagd-Lobby, aus dem Forstverein und aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Die regionalen Wirtschaftsverbände, wie beispielsweise der Sägewerksverband oder die Vertreter der Gewerkschaften, hatten sich zum Teil gegen das Projekt ausgesprochen.
Vor Ort, in den Landkreisen des südlichen Bayerischen Waldes, hatte man sich konkret auf das Gebiet um Rachel und Lusen konzentriert - auf den Staatswald, der hier einen geschlossenen Block darstellte. Es ist der Verdienst von Eisenmann, dass er nach einer politischen Lösung suchte, mit der letztlich die Befürworter und Gegner leben konnten.
Spannend dabei ist, dass er die naturschutzfachlichen Klippen zunächst vollständig außer acht ließ. Die Besitzverhältnisse im Gebiet waren eindeutig. Das gesamte Areal war Staatsbesitz und sein Ministerium war für die Verwaltung dieses Gebiets zuständig. Er hatte demnach einige Trümpfe in seiner Hand. Und die hat er schließlich vor dem bayerischen Parlament ausgespielt. In zwei Tagen, am 15. April, wäre er 96 Jahre alt geworden.
Teil 10 der GA-Serie zurm 50.Geburtstag des Nationalparks Geburtsstunde des Nationalparks
Heute vor 50 Jahren hat der Landtag dessen Einrichtung beschlossen, aber nur vage Vorgaben gemacht
Heute vor 50 Jahren hat der Landtag dessen Einrichtung beschlossen, aber nur vage Vorgaben gemacht
Michael Haug 11.06.2019 | Stand 10.06.2019, 17:35 Uhr Grafenau. Heute geht es um die Geburtsstunde des Nationalparks. Am 11. Juni hatte der Landtag dessen Einrichtung offiziell und einstimmig beschlossen."Die Staatsregierung wird ersucht: In dem Gebiet Rachel-Lusen ... einen Nationalpark Bayerischer Wald zu errichten, mit der Verpflichtung im Jahre 1969 zu beginnen und die notwendigen Mittel bereit zu stellen und... im Vorfeld der Errichtung des Nationalparks zusätzliche Maßnahmen für den Fremdenverkehr im gesamten Bayerischen Wald durchzuführen."Dieser Beschluss darf als historisch im weitesten Sinne angesehen werden. Gab es doch in Deutschland bislang keinen Nationalpark. Und für die Entstehung gab es auch noch keine Rechtsgrundlage und keine Beispiele.Der Auftrag ging vorrangig an das Landwirtschaftministerium. Es war für das ins Auge gefasste Gebiet zuständig. Der überwiegende Teil war sog. "Staatswald", das heißt, er befand sich im Eigentum des Freistaat Bayern und er stand unter der Aufsicht und Betreuung der Staatlichen Forstverwaltung.Die Abgeordneten hielten sich bei ihren Beschlüssen vorrangig an die Vorschläge, die sich bei den Beratungen in den zuständigen Ausschüssen auf den Tisch befanden. Den grundsätzlichen Ausführungen des damals für den Naturschutz in Bayern zuständigen Innenministers Dr. Bruno Merk wurde nicht gefolgt. Dem Landtagsbeschluss wird eine umfangreiche "Anlage" beigefügt.So heißt es beispielsweise: "entsprechend den ... beigefügten Vorschlägen des Gutachtens zum Plan eines Nationalparks von Prof. Dr. Huber"...Die Fläche, auf der der Nationalpark errichtet werden soll, wird nur relativ vage beschrieben. "In diesem Gebiet sollen mindestens fünf Großwild-Schaugehege errichtet werden..." oder: "Der freilebende Großwildbestand soll im Wesentlichen aus Rotwild, daneben auch aus Gemsen, Mufflons und Rehen bestehen..." Besonders wichtig: "Der Wald wird weiterhin naturgemäß gepflegt und die Holznutzung fortgesetzt..."Ferner wird relativ detailliert auf die künftige Erschließung und Ausstattung eingegangen. Auch zum Thema Jagd enthält dieser Anhang Ausführungen: "Die Bestandsregulierung kann eine Bejagung nicht ausschließen, doch müssen hierzu Sonderbestimmungen erlassen werden."Betrachtet man aus heutiger Sicht die seinerzeitigen Festlegungen, so muss man konstatieren: Alles, was damals beschlossen wurde, war ein fauler Kompromiss: keine klaren Festlegungen im Sinne des Naturschutzes, keine klaren Grenzen - vor allem aber: Die Holznutzung wird fortgesetzt.In der Rückschau: Es hat letztlich noch 23(!) Jahre gedauert, bis der Nationalpark eine klare Zielvorgabe - eine Rechtsverordnung - erhalten hat in der Aufgaben und Ziele definiert und festgeschrieben wurden.Am 21. Juli 1992 entsteht erst - im rechtlichen Sinne - ein Nationalpark. Aber: vielleicht war es ganz gut, dass die Verordnung so lange auf sich warten ließ. Wäre sie wesentlich früher entstanden, die Festlegungen wären zweifelsfrei nicht so fortschrittlich gewesen. Zwischen 1969 und dem Anfang der 90-er Jahre hat es einen langen Gärprozess gegeben, der für die Nationalpark-Idee sehr fruchtbar war. Heute hat sich die Idee, die eigentlich in den USA entstanden ist, auch in ganz Deutschland durchgesetzt und ist zu einem Erfolgskonzept des Naturschutzes geworden.Bleibt noch zu erwähnen: Der Geburtstag wird erst im kommenden Jahr gefeiert. Am 7. Oktober 1970 waren die ersten Einrichtungen des Nationalparks fertig. Und die wurden damals mit einem großen Staatsakt feierlich eröffnet.In der Bevölkerung hat sich lange die Vorstellung erhalten, dass es sich bei dem Nationalpark um eine Reihe von Großgehegen handelt.Aus einem Gehege für Wisente, einem für den Luchs und einem für Rothirsche ist freilich erst im Laufe vieler Jahre das Tierfreigelände entstanden - bis heute immer noch die wichtigste Anlaufstation für die Besucher des Nationalparks Bayerischer Wald.
Teil 11 der GA-Serie zm 50.Geburtstag des Nationalparks
Krieg stoppt NationalparkideeSchon das 3.Reich wollte ein Schutzgebiet im Böhmerwald errichten 13.07.2019 | Stand 12.07.2019, 19:59 Uhr
Grafenau. Heute geht es um die die Idee zu einem Nationalpark im "Böhmerwald", die ebenfalls ein wichtiges Jubiläum feiert.
Vor 80 Jahren schon stand eigentlich nichts mehr im Wege für die Verwirklichung eines Nationalparks - beiderseits der Grenze. Seine geplante Größe: 1000 Quadratkilometer. Das ist die vierfache Fläche des heutigen Nationalparks Bayerwald, 110 Kilometer lang und 10 Kilometer breit.
Naturschutz-Fragen wurden im 3. Reich in Berlin beim Reichsforstamt entschieden. Regional zuständig war die Regierungsstelle für Naturschutz. Oberstudienrat Eichhorn berichtet nach Berlin, er habe "die Grenzen des künftigen Nationalparks abgefahren". Ein Kartenentwurf geht an das Reichsforstamt nach Berlin.
Schon im Dezember 1939 findet in München eine Dienstbesprechung statt, bei der auch Vertreter der Wissenschaft, der Naturschutzverbände und der zuständigen Fachstellen anwesend sind. Das Protokoll dieser Diskussion endet mit der Feststellung: "Die Durchführung der Nationalparkerrichtung stößt auf keine wesentlichen Fragen."
Im Juni 1939 führt die Oberste Naturschutzbehörde schließlich eine Bereisung durch.‚Treffpunkt der Behördenvertreter und Fachleute ist das Hotel Rixi in Böhmisch Eisenstein.Von dieser Veranstaltung gibt es ein ausführliches Protokoll. Es besteht relative Klarheit darüber, dass das Gebiet bis zum Tal der Ottawa rücken soll und auch, dass der Urwald am Kubani mit einbezogen werden soll. Spannend ist auch, dass das Jagdgatter des ursprünglich Schwarzenbergischen Wildgatter mit einbezogen werden sollte. Freilich müsste dort die Jagd künftig mit den Zwecken des Naturschutzes übereinstimmen.
Im Gebiet sollte ein natürlicher, vielartiger, aber nach Zahl geringer Wildbestand, einschließlich des Urwildes, geschaffen werden.Namens des Reichsforstamtes erläutert Ministerialdirigent Eberts den Landräten, Kreisjägermeistern, Forstmeistern, Naturschutzbeauftragten und Bürgermeistern die Idee des Nationalparks. Er trat nachdrücklich den Befürchtungen entgegen, der Nationalpark könne eine Beeinträchtigung des Gebietes bewirken. "Die wirtschaftliche Entwicklung des Gebietes wird durch die Erklärung zum Nationalpark nicht gehemmt sondern gehoben", heißt es dazu.Zwar drängen örtliche Stellen lebhaft auf Einbeziehung ihrer Gebiete in den Nationalpark, doch gewann man nach Abschluss der Bereisung die Überzeugung, den Nationalpark nur auf das charakteristische Waldgebirge zu beschränken.Die Reichsstelle für Naturschutz beteiligt sich am 23. Jan 1941 bereits an den Druckkosten für den Nationalpark-Führer. Das Manuskript liegt bei Prof. Eichhorn in der Regierungsstelle für Naturschutz.
Im Februar 1942 erklärt der Reichsforstmeister: "Wenn auch die Errichtung von Nationalparks unter den heutigen Verhältnissen zunächst zurückgestellt werden muss, bitte ich doch, die Vorarbeiten weiterzuführen, damit nach Kriegsende die Errichtung des Nationalparks ohne weitere Verzögerung erfolgen kann." Eine Abschrift der geplanten Verordnung zum Schutz des Böhmerwaldes findet sich in dem Büchlein "Eine Landschaft wird Nationalpark". Heft 11 der Wiss.-Schriftenreihe des Nationalparks Bay. Wald.
Prof. Lutz Heck bezeichnet damals die Idee des Nationalparks als "die Krönung des Naturschutzgedankens".
Vor 80 Jahren schon stand eigentlich nichts mehr im Wege für die Verwirklichung eines Nationalparks - beiderseits der Grenze. Seine geplante Größe: 1000 Quadratkilometer. Das ist die vierfache Fläche des heutigen Nationalparks Bayerwald, 110 Kilometer lang und 10 Kilometer breit.
Naturschutz-Fragen wurden im 3. Reich in Berlin beim Reichsforstamt entschieden. Regional zuständig war die Regierungsstelle für Naturschutz. Oberstudienrat Eichhorn berichtet nach Berlin, er habe "die Grenzen des künftigen Nationalparks abgefahren". Ein Kartenentwurf geht an das Reichsforstamt nach Berlin.
Schon im Dezember 1939 findet in München eine Dienstbesprechung statt, bei der auch Vertreter der Wissenschaft, der Naturschutzverbände und der zuständigen Fachstellen anwesend sind. Das Protokoll dieser Diskussion endet mit der Feststellung: "Die Durchführung der Nationalparkerrichtung stößt auf keine wesentlichen Fragen."
Im Juni 1939 führt die Oberste Naturschutzbehörde schließlich eine Bereisung durch.‚Treffpunkt der Behördenvertreter und Fachleute ist das Hotel Rixi in Böhmisch Eisenstein.Von dieser Veranstaltung gibt es ein ausführliches Protokoll. Es besteht relative Klarheit darüber, dass das Gebiet bis zum Tal der Ottawa rücken soll und auch, dass der Urwald am Kubani mit einbezogen werden soll. Spannend ist auch, dass das Jagdgatter des ursprünglich Schwarzenbergischen Wildgatter mit einbezogen werden sollte. Freilich müsste dort die Jagd künftig mit den Zwecken des Naturschutzes übereinstimmen.
Im Gebiet sollte ein natürlicher, vielartiger, aber nach Zahl geringer Wildbestand, einschließlich des Urwildes, geschaffen werden.Namens des Reichsforstamtes erläutert Ministerialdirigent Eberts den Landräten, Kreisjägermeistern, Forstmeistern, Naturschutzbeauftragten und Bürgermeistern die Idee des Nationalparks. Er trat nachdrücklich den Befürchtungen entgegen, der Nationalpark könne eine Beeinträchtigung des Gebietes bewirken. "Die wirtschaftliche Entwicklung des Gebietes wird durch die Erklärung zum Nationalpark nicht gehemmt sondern gehoben", heißt es dazu.Zwar drängen örtliche Stellen lebhaft auf Einbeziehung ihrer Gebiete in den Nationalpark, doch gewann man nach Abschluss der Bereisung die Überzeugung, den Nationalpark nur auf das charakteristische Waldgebirge zu beschränken.Die Reichsstelle für Naturschutz beteiligt sich am 23. Jan 1941 bereits an den Druckkosten für den Nationalpark-Führer. Das Manuskript liegt bei Prof. Eichhorn in der Regierungsstelle für Naturschutz.
Im Februar 1942 erklärt der Reichsforstmeister: "Wenn auch die Errichtung von Nationalparks unter den heutigen Verhältnissen zunächst zurückgestellt werden muss, bitte ich doch, die Vorarbeiten weiterzuführen, damit nach Kriegsende die Errichtung des Nationalparks ohne weitere Verzögerung erfolgen kann." Eine Abschrift der geplanten Verordnung zum Schutz des Böhmerwaldes findet sich in dem Büchlein "Eine Landschaft wird Nationalpark". Heft 11 der Wiss.-Schriftenreihe des Nationalparks Bay. Wald.
Prof. Lutz Heck bezeichnet damals die Idee des Nationalparks als "die Krönung des Naturschutzgedankens".
Teil 12 der GA-Serie:50 Jahre Nationalpark
Abenteuerliches Konstrukt NationalparkamtGA-Serie: 50 Jahre Nationalpark
Grafenau 02.08.2019 | Stand 01.08.2019, 18:01 Uhr
Heute geht es um die Entstehung des Nationalparkamtes, das am 22. Juli 1969 vor Ort als erste staatliche Behörde in Leben gerufen wurde. Die ministerielle Verordnung trat am 1. August in Kraft.Mit dem einstimmigen Beschluss des Bayerischen Landtags vom 11. Juni, wurde das Landwirtschaftsministerium beauftragt, die Idee eines Nationalparks umzusetzen. Als Grundlage diente das Gutachten vom Landschaftsökologen, Prof. Dr. Wolfgang Huber, das er, bzw. genauer der Deutsche Rat für Landespflege, schon im Jahr 1968 an den Bayerischen Ministerpräsidenten und an die Präsidenten des Landtages und des Senat übermittelt hatte.Gutachten fällt nicht positiv ausIn dem einschlägigen Schreiben heißt es freilich: Im Bayerischen Wald sollte von der Bezeichnung "Nationalpark" abgesehen werden, weil einerseits die Voraussetzungen fehlen (weil es sich um eine gewachsene Kulturlandschaft handelt) und weil zum anderen damit Erwartungen verbunden wären, die nicht erfüllbar sind, so Graf Lennart Bernadotte, der Sprecher des Rates.Es war wohl vor allem dem öffentlichen Druck geschuldet, der vor allem auf kommunaler Ebene aufgebaut worden war, dass sich der Bayerische Landtag anders entschieden hatte.Der neue Landwirtschaftsminister hatte die Abgeordneten überzeugt, dass er in dieser Sache "Nägel mit Köpfen" machen will. So lag es nun am Minister, die nächsten Schritte einzuleiten. Die einschlägige staatliche Verordnung trägt die Unterschrift des Staatsministers Dr. Eisenmann.Und was sind nun die Aufgaben dieser neuen Verwaltungsbehörde mit Sitz in Spiegelau?Satz 1 der Aufgaben-Beschreibung lautet: "Planungen der Einrichtungen des Nationalparks und Koordinierung mit den forsteinrichtungstechnischen und betriebstechnischen Planungen für die örtlichen zuständigen Forstämter!"Und Satz 2: "Durchführung und Überwachung der geplanten Maßnahmen, Betrieb und Unterhaltung der Einrichtungen des NPBW". Hierzu kommt die erforderliche Haushaltsplanung und deren Vollzug. Schließlich: "Mitwirkung bei wissenschaftlichen Versuchen" und "Vorbereitung der Sitzungen des Beirates".Es lohnt sich, die Situation vor Ort, also auf dem Territorium des nunmehr beschlossenen Nationalparks, kurz zu analysieren: Auf der für den NP vorgesehenen Fläche existieren zu diesem Zeitpunkt mindestens fünf Staatliche Forstämter mit ihrem jeweiligen Leitungsdienst. Das sind die Leiter und ihre Stellvertreter aus dem Höheren Forstdienst, pro Forstamt vier bis fünf Forstrevierte mit ihren Revier-Förstern als regional Zuständiger staatliche Beamte und jedem Revier zugeordnet eine Truppe von 15 bis 20 Waldarbeiter (Facharbeiter und Hilfskräfte).Eine Hochrechnung ergibt, dass in den Staatlichen Forstbetrieben über 40 Beamte des gehobenen und höheren Forstdienstes beschäftigt waren, dazu Büroangestellte und Schreibkräfte, das sind mehrere Hundert Bedienstete, die mit der Bewirtschaftung des Staatswaldes beschäftigt waren.Holzeinschlag geht weiterDie jährliche Holzmenge, die in diesem Gebiet eingeschlagen wurde, lag bei 50000 bis 60000 Festmeter. Und so war es für alle Beteiligten wichtig und erfreulich, dass der Landtag in seinem historischen Beschluss vom 11. Juni u. a. festgelegt hatte: "Die Holznutzung wird fortgesetzt!"Warum sollten die zuständigen Stellen an diesen bewährten Strukturen etwas ändern?Als nächsthöhere (Kontroll)-Instanz gab es die Oberforstdirektion in Regensburg, die für den Holzverkauf den Rahmen absteckte und die für die forstlichen Planungen (Forsteinrichtung) zuständig war.Mit der Entstehung des Nationalparkamtes stand dieser forstlichen Hierarchie nun ein (kleines!) Amt gegenüber, das die Aufgabe hatte, Besucher-Einrichtungen wie Gehege und Wanderwege zu bauen und das ansonsten so gut wie keine weiteren Zuständigkeiten hatte und - es war dem Landwirtschaftsministerium unmittelbar nachgeordnet.Die "normalen" Aufgaben der staatlichen Forst-Verwaltung wurden nicht angetastet. Im Nachhinein ist es verwunderlich, wie aus dieser Konstruktion ein "Leuchtturm des Naturschutzes in Europa" werden konnte.In der Struktur dieser Verwaltungskonstruktion hat sich, zumindest in den ersten 10 Jahren des Nationalparks nichts geändert.Nationalparkamt und (ab 1972) das Nationalpark-Forstamt arbeiteten nebeneinander eigenständig her. Die Nationalparkverwaltung in ihrer heutigen Form entstand erst 10 Jahre später, am Ende der 70er Jahre.Michael Haug
Heute geht es um die Entstehung des Nationalparkamtes, das am 22. Juli 1969 vor Ort als erste staatliche Behörde in Leben gerufen wurde. Die ministerielle Verordnung trat am 1. August in Kraft.Mit dem einstimmigen Beschluss des Bayerischen Landtags vom 11. Juni, wurde das Landwirtschaftsministerium beauftragt, die Idee eines Nationalparks umzusetzen. Als Grundlage diente das Gutachten vom Landschaftsökologen, Prof. Dr. Wolfgang Huber, das er, bzw. genauer der Deutsche Rat für Landespflege, schon im Jahr 1968 an den Bayerischen Ministerpräsidenten und an die Präsidenten des Landtages und des Senat übermittelt hatte.Gutachten fällt nicht positiv ausIn dem einschlägigen Schreiben heißt es freilich: Im Bayerischen Wald sollte von der Bezeichnung "Nationalpark" abgesehen werden, weil einerseits die Voraussetzungen fehlen (weil es sich um eine gewachsene Kulturlandschaft handelt) und weil zum anderen damit Erwartungen verbunden wären, die nicht erfüllbar sind, so Graf Lennart Bernadotte, der Sprecher des Rates.Es war wohl vor allem dem öffentlichen Druck geschuldet, der vor allem auf kommunaler Ebene aufgebaut worden war, dass sich der Bayerische Landtag anders entschieden hatte.Der neue Landwirtschaftsminister hatte die Abgeordneten überzeugt, dass er in dieser Sache "Nägel mit Köpfen" machen will. So lag es nun am Minister, die nächsten Schritte einzuleiten. Die einschlägige staatliche Verordnung trägt die Unterschrift des Staatsministers Dr. Eisenmann.Und was sind nun die Aufgaben dieser neuen Verwaltungsbehörde mit Sitz in Spiegelau?Satz 1 der Aufgaben-Beschreibung lautet: "Planungen der Einrichtungen des Nationalparks und Koordinierung mit den forsteinrichtungstechnischen und betriebstechnischen Planungen für die örtlichen zuständigen Forstämter!"Und Satz 2: "Durchführung und Überwachung der geplanten Maßnahmen, Betrieb und Unterhaltung der Einrichtungen des NPBW". Hierzu kommt die erforderliche Haushaltsplanung und deren Vollzug. Schließlich: "Mitwirkung bei wissenschaftlichen Versuchen" und "Vorbereitung der Sitzungen des Beirates".Es lohnt sich, die Situation vor Ort, also auf dem Territorium des nunmehr beschlossenen Nationalparks, kurz zu analysieren: Auf der für den NP vorgesehenen Fläche existieren zu diesem Zeitpunkt mindestens fünf Staatliche Forstämter mit ihrem jeweiligen Leitungsdienst. Das sind die Leiter und ihre Stellvertreter aus dem Höheren Forstdienst, pro Forstamt vier bis fünf Forstrevierte mit ihren Revier-Förstern als regional Zuständiger staatliche Beamte und jedem Revier zugeordnet eine Truppe von 15 bis 20 Waldarbeiter (Facharbeiter und Hilfskräfte).Eine Hochrechnung ergibt, dass in den Staatlichen Forstbetrieben über 40 Beamte des gehobenen und höheren Forstdienstes beschäftigt waren, dazu Büroangestellte und Schreibkräfte, das sind mehrere Hundert Bedienstete, die mit der Bewirtschaftung des Staatswaldes beschäftigt waren.Holzeinschlag geht weiterDie jährliche Holzmenge, die in diesem Gebiet eingeschlagen wurde, lag bei 50000 bis 60000 Festmeter. Und so war es für alle Beteiligten wichtig und erfreulich, dass der Landtag in seinem historischen Beschluss vom 11. Juni u. a. festgelegt hatte: "Die Holznutzung wird fortgesetzt!"Warum sollten die zuständigen Stellen an diesen bewährten Strukturen etwas ändern?Als nächsthöhere (Kontroll)-Instanz gab es die Oberforstdirektion in Regensburg, die für den Holzverkauf den Rahmen absteckte und die für die forstlichen Planungen (Forsteinrichtung) zuständig war.Mit der Entstehung des Nationalparkamtes stand dieser forstlichen Hierarchie nun ein (kleines!) Amt gegenüber, das die Aufgabe hatte, Besucher-Einrichtungen wie Gehege und Wanderwege zu bauen und das ansonsten so gut wie keine weiteren Zuständigkeiten hatte und - es war dem Landwirtschaftsministerium unmittelbar nachgeordnet.Die "normalen" Aufgaben der staatlichen Forst-Verwaltung wurden nicht angetastet. Im Nachhinein ist es verwunderlich, wie aus dieser Konstruktion ein "Leuchtturm des Naturschutzes in Europa" werden konnte.In der Struktur dieser Verwaltungskonstruktion hat sich, zumindest in den ersten 10 Jahren des Nationalparks nichts geändert.Nationalparkamt und (ab 1972) das Nationalpark-Forstamt arbeiteten nebeneinander eigenständig her. Die Nationalparkverwaltung in ihrer heutigen Form entstand erst 10 Jahre später, am Ende der 70er Jahre.Michael Haug
Teil 13 der GA-Serie:50 Jahre
NationalparkBeiräte vom Fach
28.10.2019 | Stand 27.10.2019, 18:17 Uhr Heute geht es um die erste Sitzung des Fachbeirates, der Anfang Oktober 1969 erstmals tagte. Ins Leben gerufen wurde der Fachbeirat durch die Verordnung des Landwirtschaftsministeriums vom 22. Juli 1969.Die ganze Bandbreite der Interessengruppen, Behörden und Vereine, Fachverbände und vor allem aber auch die Wissenschaft sollten in diesem Gremium vertreten sein.Eine Möglichkeit Entscheidungen zu treffen wurde diesem Fachbeirat nicht zugestanden. Vielmehr war es der Wunsch des nunmehr für die Entwicklung des Nationalparks zuständigen Minister, eine kompetente Beratung in diese für ganz Deutschland neuartigen Aufgabe zu gewährleisten.Um eine kompetente Planung zu erhalten, wurde schon vorher der Lehrstuhl von Prof. Wolfgang Haber beauftragt, einen Landschaftsplan zu erstellen, der sowohl den Staatswald als auch das angrenzende Gebiet bis zu den Städten Freyung und Grafenau umfassen sollte.Der Verfasser dieser kleinen Serie für den Grafenauer Anzeiger wurde schon im Sommer von Prof. Haber angefragt, ob er bei dieser Aufgabe mitwirken wolle. "Ich befand mich damals in der Endphase meines Studiums an der TU München-Weihenstephan und sollte als Mitarbeiter am Institut den Professor unterstützen. Danach wurde mir - wie das damals üblich war - das halbe Gehalt eines Akademikers zugesagt. Zu einer konkreten Anstellung ist es dann freilich nicht gekommen. Zuerst waren noch die erforderlichen Prüfungen zum Abschluss des Studiums fällig, die erst im September stattfinden sollten. Auf Anfrage von Prof. Haber und Fürsprecher von Dr. H. Eisenmann wurde ich zum Anfang 1970 an das NP-Amt berufen!"Zurück zum Fachbeirat: Die konstituierende Sitzung fand am 2. Oktober statt. In einem langen Referat ging RD Baumgart, der zuständige Ministerial-Beauftragte auf die künftige Holznutzung ein. Es sei beabsichtigt, die Erntealter der standortgerechten Bestände bis an das Höchstalter der betreffenden Bestandsformen anzuheben. Bei der künftigen Bewirtschaftung des Waldes stehe nicht der Holzertrag und damit der Hiebsatz im Vordergrund der Überlegungen.Vonseiten der Forstverwaltung wurde eine umfassende Standortkartierung und Waldbepflanzung in Aussicht gestellt, die auch noch im Jahr 1969 begonnen wurde. Insbesondere von den bodenkundlichen und klimatologischen Grundlagen und Kartierungen profitiert der Nationalpark bis heute.Innerhalb der Forstverwaltung standen für diese Aufgaben hochklassige junge Fachkräfte zur Verfügung, so z. B. Dr. Wolfram Elling, der später Dozent in Weihenstephan wurde.Eine besonders wichtige Frage war die personelle Besetzung des neuen Nationalparkamtes. Aus der Region gab es gewichtige Stimmen für einen Forstmann, den man bereits aus seiner Arbeit kannte. Hier wäre der Favorit der Leiter des Forstamtes Freyung gewesen. Vonseiten der Forstverwaltung wurde der promovierte Forstfachmann Dr. Hans Bibelriether vorgeschlagen. Vom Bund Naturschutz wurde der vielseitig engagierte Lehrer an der Waldarbeitsschule Buchenbühl (Nähe Nürnberg) Dr. Georg Sperber ins Spiel gebracht. Diese beiden Forstbeamten wurden schließlich als neue Leiter des Nationalparkamtes nominiert.Bei dieser ersten Sitzung des Fachbeirats entstand auch die Idee, den Nationalpark feierlich zu eröffnen. Der Vorschlag kam aus dem Bundeswirtschaftsministerium. "Das europäische Naturschutzjahr 1970 bietet sich dafür an", meinte Oberlandforstmeister Offner, der bei der Bundesregierung in Bonn für Naturschutzangelegenheiten zuständig war.
Teil 14 der GA-Serie :50 Jahre Nationalpark
Reduzieren statt anheben - Hirschbestand als Gründungsproblem - enorme Schäden durch das Rotwild in den Wäldern
19.11.2019 | Stand 18.11.2019, 17:12 UhrGrafenau. Heute geht es um das Nationalparkamt, dass im November 1969 seine Arbeit aufgenommen hat.Damals herrschte Entsetzen über den Zustand der Wälder zwischen Rachel und Lusen. Den staatlichen Beamten wurde als Domizil für die neue Verwaltung das Gebäude des Forstamtes Spiegelau zugewiesen.Dr. Bibelriether bekennt in seinen Erinnerungen aus dem Jahr 2017: "Weder Georg Sperber noch ich hatten auch nur die geringste Ahnung, was auf uns zukommen würde. Ich hatte nur eine sehr beschränkte Vorstellung davon, was ein Nationalpark war!" Der zuständige Beamte im Landwirtschaftsministerium, der Forstmann und Ministerialrat Kilian Baumgart führte die jungen Forst-Akademiker in ihr Amt ein: "Da tun wir jetzt mal drei Jahre so als ob, dann erledigt sich das von selber!"Es war jedenfalls von Anfang an klar, dass die Forstverwaltung ihren massiven Widerstand gegen das Projekt nicht aufgegeben hatte. Und so entstanden in den ersten Monaten und Jahren heftige Konflikte zwischen den engagierten Forstbeamten vor Ort und den etablierten Verantwortlichen für die Staatlichen Forsten.Gewichtige Entscheidungen gab es freilich schon im Vorfeld der Entstehung des Nationalparkamtes.In St. Oswald war das dortige Forstamt mit einem passionierten Jäger und engagierten Gegner besetzt. Oberforstmeister Dr. Götz von Bülow wurde an das bedeutende Forstamt Berchtesgaden versetzt - für einen Rothirsch-Liebhaber ein neuer "Traumjob".Massive Gegnerschaft gegen die Idee eines Nationalparks ging auch von dem, für die Region besonders bedeutsamen Forstamt Spiegelau aus. Der dortige Amtsträger (OFM Götz) wurde an die Oberforstdirektion nach Regensburg versetzt.In der 2. Hälfte des Jahres 1969 wurde auch mit der sogenannten Forsteinrichtung begonnen. Das heißt, ein qualifizierter Trupp von Forstwissenschaftlern wurde mit der Erfassung der Waldbestände betraut. Die Leitung für diese gründliche Bestands-Analyse und forstliche Planung oblag der Oberforstdirektion in Regensburg.Sehr bald gab es intensive Kontakte zwischen den Forstfachleuten vom Nationalparkamt und von denjenigen, von der Bestandserfassung. Entsetzen machte sich breit über den katastrophalen Zustand der Wälder. Die intensive Förderung der Rothirsch-Bestände in den 60er Jahren hatte zu gewaltigen Schäden im Wald geführt. Im gesamten Gebiet, das jetzt Nationalpark werden sollte, gab es kaum einen jüngeren Waldbestand, der nicht nachhaltig von den Hirschen beeinträchtigt oder gar total vernichtet war. Nach der vollständigen Erfassung dieser "Wildschäden" stellte sich heraus, dass viele 100 Hektar des Waldes so nachhaltig durch Verbiss und Rindenschälen geschädigt waren, dass sie keine Chance hatten, ein größeres Alter zu erreichen, wenn sie nicht ohnehin schon dabei waren anzusterben.Die Öffentlichkeit war wohl eher darauf programmiert, dass die Wildbestände nach der Ausweisung des Nationalparks angehoben werden sollten. Jetzt erweist es sich bei den Fachleuten als unumgänglich, dass die massiv überhöhten Wildbestände wohl eher reduziert werden müssen.Hinter dem Rothirsch dem "König der Wälder"- steht zudem eine einflussreiche Lobby aus Jägern und einem nicht unerheblichen Teil der "Forstpartie". Drastische Reduktion der Wildbestände und ein Nationalpark, der ja begründet wurde, um die Wildtiere besser beobachten zu können, das war der Konflikt der ersten Jahre, der vor allem vor Dr. Georg Sperber ausgefochten wurde.Die öffentliche Anprangerung der, aus forstlicher Sicht unhaltbaren Zustände, machte die Akteure bei den höheren forstlichen Dienststellen zunehmend unbeliebt. Dr. Sperber wurde mehrfach mit einem Rede- und Schreibverbot belegt.Trotz allem musste für das Rothirsch-Problem eine schnelle Lösung gefunden werden. An diesen Konflikten aus den Anfangsjahren knabbert der Nationalpark noch heute. Damals entstand die Idee, die gut 15 Fütterungen für Rothirsche aufzugeben und das Wild während der Wintermonate in Gehegen zu halten, und dort mit Nahrung zu versorgen. Diese sog. "Wintergatter" sind heute für Biologen ein zunehmendes Ärgernis und eine nachhaltige Störung, die eigentlich in einem Nationalpark unerträglich ist. Aus der damals als vorübergehend angesehenen Notlösung ist heute eine Dauer-Einrichtung geworden.Eine zukunftsträchtige Lösung dieses elementaren Nationalpark-Problems ist heute - 50 Jahre später - immer noch nicht abzusehen.Bleibt noch zum Ende dieser kleinen Replik auf die Entstehung des Nationalparks zu erwähnen, dass im November 1969 eine wichtige Konferenz der IUCN (Internationale Union zum Schutze der Natur) stattfand.In Neu-Dehli wurde erneut von den Naturschutz-Fachleuten über Nationalparkes und die Verwendung dieser Bezeichnung beraten. Im Rahmen einer Resolution werden die Regierungen weltweit aufgefordert, den Begriff "Nationalpark" nicht zu verwässern. Der Begriff sollte solchen Gebieten vorbehalten bleiben, in denen keine wirtschaftlichen Nutzungen wie Jagd und Fischerei oder Land- und Forstwirschaft stattfinden und die unter einem strengen Naturschutz stehen.Es hat gut 10 Jahre gedauert, bis sich diese internationalen Empfehlungen auch für den Bayerischen Wald als zwingend für die weitere Entwicklung auch bei der staatlichen Forstverwaltung durchgesetzt haben
19.11.2019 | Stand 18.11.2019, 17:12 UhrGrafenau. Heute geht es um das Nationalparkamt, dass im November 1969 seine Arbeit aufgenommen hat.Damals herrschte Entsetzen über den Zustand der Wälder zwischen Rachel und Lusen. Den staatlichen Beamten wurde als Domizil für die neue Verwaltung das Gebäude des Forstamtes Spiegelau zugewiesen.Dr. Bibelriether bekennt in seinen Erinnerungen aus dem Jahr 2017: "Weder Georg Sperber noch ich hatten auch nur die geringste Ahnung, was auf uns zukommen würde. Ich hatte nur eine sehr beschränkte Vorstellung davon, was ein Nationalpark war!" Der zuständige Beamte im Landwirtschaftsministerium, der Forstmann und Ministerialrat Kilian Baumgart führte die jungen Forst-Akademiker in ihr Amt ein: "Da tun wir jetzt mal drei Jahre so als ob, dann erledigt sich das von selber!"Es war jedenfalls von Anfang an klar, dass die Forstverwaltung ihren massiven Widerstand gegen das Projekt nicht aufgegeben hatte. Und so entstanden in den ersten Monaten und Jahren heftige Konflikte zwischen den engagierten Forstbeamten vor Ort und den etablierten Verantwortlichen für die Staatlichen Forsten.Gewichtige Entscheidungen gab es freilich schon im Vorfeld der Entstehung des Nationalparkamtes.In St. Oswald war das dortige Forstamt mit einem passionierten Jäger und engagierten Gegner besetzt. Oberforstmeister Dr. Götz von Bülow wurde an das bedeutende Forstamt Berchtesgaden versetzt - für einen Rothirsch-Liebhaber ein neuer "Traumjob".Massive Gegnerschaft gegen die Idee eines Nationalparks ging auch von dem, für die Region besonders bedeutsamen Forstamt Spiegelau aus. Der dortige Amtsträger (OFM Götz) wurde an die Oberforstdirektion nach Regensburg versetzt.In der 2. Hälfte des Jahres 1969 wurde auch mit der sogenannten Forsteinrichtung begonnen. Das heißt, ein qualifizierter Trupp von Forstwissenschaftlern wurde mit der Erfassung der Waldbestände betraut. Die Leitung für diese gründliche Bestands-Analyse und forstliche Planung oblag der Oberforstdirektion in Regensburg.Sehr bald gab es intensive Kontakte zwischen den Forstfachleuten vom Nationalparkamt und von denjenigen, von der Bestandserfassung. Entsetzen machte sich breit über den katastrophalen Zustand der Wälder. Die intensive Förderung der Rothirsch-Bestände in den 60er Jahren hatte zu gewaltigen Schäden im Wald geführt. Im gesamten Gebiet, das jetzt Nationalpark werden sollte, gab es kaum einen jüngeren Waldbestand, der nicht nachhaltig von den Hirschen beeinträchtigt oder gar total vernichtet war. Nach der vollständigen Erfassung dieser "Wildschäden" stellte sich heraus, dass viele 100 Hektar des Waldes so nachhaltig durch Verbiss und Rindenschälen geschädigt waren, dass sie keine Chance hatten, ein größeres Alter zu erreichen, wenn sie nicht ohnehin schon dabei waren anzusterben.Die Öffentlichkeit war wohl eher darauf programmiert, dass die Wildbestände nach der Ausweisung des Nationalparks angehoben werden sollten. Jetzt erweist es sich bei den Fachleuten als unumgänglich, dass die massiv überhöhten Wildbestände wohl eher reduziert werden müssen.Hinter dem Rothirsch dem "König der Wälder"- steht zudem eine einflussreiche Lobby aus Jägern und einem nicht unerheblichen Teil der "Forstpartie". Drastische Reduktion der Wildbestände und ein Nationalpark, der ja begründet wurde, um die Wildtiere besser beobachten zu können, das war der Konflikt der ersten Jahre, der vor allem vor Dr. Georg Sperber ausgefochten wurde.Die öffentliche Anprangerung der, aus forstlicher Sicht unhaltbaren Zustände, machte die Akteure bei den höheren forstlichen Dienststellen zunehmend unbeliebt. Dr. Sperber wurde mehrfach mit einem Rede- und Schreibverbot belegt.Trotz allem musste für das Rothirsch-Problem eine schnelle Lösung gefunden werden. An diesen Konflikten aus den Anfangsjahren knabbert der Nationalpark noch heute. Damals entstand die Idee, die gut 15 Fütterungen für Rothirsche aufzugeben und das Wild während der Wintermonate in Gehegen zu halten, und dort mit Nahrung zu versorgen. Diese sog. "Wintergatter" sind heute für Biologen ein zunehmendes Ärgernis und eine nachhaltige Störung, die eigentlich in einem Nationalpark unerträglich ist. Aus der damals als vorübergehend angesehenen Notlösung ist heute eine Dauer-Einrichtung geworden.Eine zukunftsträchtige Lösung dieses elementaren Nationalpark-Problems ist heute - 50 Jahre später - immer noch nicht abzusehen.Bleibt noch zum Ende dieser kleinen Replik auf die Entstehung des Nationalparks zu erwähnen, dass im November 1969 eine wichtige Konferenz der IUCN (Internationale Union zum Schutze der Natur) stattfand.In Neu-Dehli wurde erneut von den Naturschutz-Fachleuten über Nationalparkes und die Verwendung dieser Bezeichnung beraten. Im Rahmen einer Resolution werden die Regierungen weltweit aufgefordert, den Begriff "Nationalpark" nicht zu verwässern. Der Begriff sollte solchen Gebieten vorbehalten bleiben, in denen keine wirtschaftlichen Nutzungen wie Jagd und Fischerei oder Land- und Forstwirschaft stattfinden und die unter einem strengen Naturschutz stehen.Es hat gut 10 Jahre gedauert, bis sich diese internationalen Empfehlungen auch für den Bayerischen Wald als zwingend für die weitere Entwicklung auch bei der staatlichen Forstverwaltung durchgesetzt haben
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Teil 15 der GA-Serie: 50 Jahre Nationalpark Bayerischer
Wald Wohin mit dem ganzen Geld? Straßenbau als Beruhigungsmittel für die Bevölkerung
06.12.2019 | Stand 05.12.2019, 16:32 Uhr Grafenau.Als der Landtag im Juni beschließt, dass das Gebiet um Rachel und Lusen zum Nationalpark entwickelt werden soll, wird auch schon das erste Geld bewilligt. Noch im Jahr 1969 stehen 400000 DM zur Verfügung die, so schreibt es das Haushaltsrecht vor, auch noch in einem Jahr ausgegeben werden müssen. Am Anfang stand ein UnimogWie wir aus den früheren Berichten über das Nationalpark-Jubiläum schon gehört haben: Zuerst muss über die personelle Besetzung des neu geschaffenen Nationalparkamt entschieden werden, und dann müssen die Beamten an die neu geschaffene Verwaltung versetzt werden. So etwas geht nicht von heute auf Morgen. Das Nationalparkamt nimmt Anfang November 1969 seine Tätigkeit auf.Dr. Georg Sperber, bis zu diesem Zeitpunkt Lehrer an der Waldarbeitsschule in Buchenbühl bei Nürnberg, hat bei den Verantwortlichen im Landwirtschaftsministerium durchgesetzt, dass auch ein junger Förster bei den neuen Arbeiten und Aufgaben mitwirken sollte. Und er hatte auch gleich einen Vorschlag mit im Gepäck. So kam es, dass im Amtsgebäude in Spiegelau gleichzeitig auch ein junger Revierförster mit von der Partie war.Hartmut Strunz war der Dritte im Bunde, und der im Nationalparkamt vom ersten Tage an mit dabei war, und bei der Nationalparkverwaltung bis zu seiner Pensionierung tätig war.Der Forstfachmann aus Oberfranken schaffte während seiner mehr als 40-Jährigen Tätigkeit für den Nationalpark sogar den Aufstieg in den "höheren Dienst". Zunächst oblag ihm auch die Verwaltung der Kasse. Ab 1970 war sein Domizil das Forsthaus in Waldhäuser.Wohin mit den 400000 DM? Für den Nationalpark wurde zunächst ein Unimog angeschafft und Funkgeräte. Papier und Schreibgerät lieferte das Ladl gegenüber dem Nationalpark-Amt, das Schreibwarengeschäft Paduch in Spiegelau.Der größte Teil der Summe ging freilich in den Straßenbau. Mit dem Geld des Freistaat Bayern für den Nationalpark wurde - mit Unterstützung des Landkreises Grafenau - die Straße zur Rachel-Diensthütte in Angriff genommen. Die ersten zwei Kilometer dieser Straße bis zum Taferlruck konnten, dank der tatkräftigen Unterstützung von Landrat Karl Bayer in kürzester Zeit fertiggestellt werden.Der Weiterbau blieb dann schließlich stecken und die Idee, diese, ausschließlich für den Tourismus bedeutsame Straße, zur Kreisstraße aufzuwerten, wurde dann in der Folgezeit nicht umgesetzt.Der Forderung auf mehr Erschließung für die staatlichen Wälder, die "Öffnung" für die Erholungssuchenden und Touristen was wesentliche Triebfeder der Kommunalpolitiker, sich für einen Nationalpark zu engagieren. Deswegen gab es allenthalben Druck auf die Forstbehörden, den Zugang zu den touristischen Attraktionen der Region zu erleichtern.Forstbehörden standen unter DruckWegen ihres Widerstandes gegen die Nationalparkpläne standen die Forstbehörden und einen gewaltigen Druck und man erhoffte, sich durch Nachgiebigkeit und Zugeständnisse von diesem negativen Eindruck zu befreien.Einige Wirtschaftswege, die bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich für die Holzabfuhr gebaut und unterhalten worden waren, wurden nun auch für den öffentlichen Verkehr freigegeben.Aus dieser Zeit stammen z. B. die Öffnung der Straße durch das Reschbachtal von Mauth ins Obere Reschbachtal für den allgemeinen öffentlichen Verkehr oder die Freigabe der Straße von Neuschönau Kreuzstraße in Richtung Lusen bis zum Lusen-Parkplatz, die sog. Böhmstraße.Dem Landkreis Grafenau wurde gestattet, eine Straße von Waldhäuser zum sog. Lusen-Parkplatz zu bauen. Sie ist bis heute "Kreisstraße".Die Gemeinde Spiegelau erhielt die Erlaubnis, von den Sägerwerken am Ortsrand die sog. Schwarzachstraße als Gemeindestraße auszubauen. Am "Gfäll" wurden einige Dutzend Parkplätze geschaffen um den Zugang zum Rachelgipfel zu erleichtern. Durch solche Zugeständnisse hatten die Forstbehörden erhofft, die Entstehung eines Nationalparks abwenden zu können.Die Nachgiebigkeit hat sich nicht ausgezahlt. Der Nationalpark wurde dennoch beschlossen.25 bis 30 Jahre später war es ein zäher Kampf, die gewichtigen Störungen im Nationalpark durch den öffentlichen Verkehr wieder in den Griff zu bekommen. So liegen beispielsweise die Parkplätze am Gfäll und an der Waldhausreibe mitten im Quellgebiet von Trinkwasserversorgungs-Anlagen. An Ausflugstagen waren die Parkplätze immer hoffnungslos überfüllt.Ankäufe im KlosterfilzIm Jahr 1969 begann auch der Bund Naturschutz i. B. mit einer großangelegten Ankaufspolitik für wertvolle Grundstücke, hauptsächlich Feuchtwiesen und Moorflächen, am Rande des NP. In kürzester Zeit wurden hier einige Dutzend Hektar schützwürdiger Flächen, die bislang in Privatbesitz waren, für die künftige Ergänzung des Nationalpark Bayerischer Wald angekauft.
Teil 16 der GA-Serie
Wohin mit Braunbär und Co?
GA-Serie zum 50. Geburtstag des Nationalparks - versprochene Großtiergehege verlangen strategische Planung Michael Haug 23.01.2020 | Stand 22.01.2020, 19:36 Uhr
Dieses Bild zeigt den aufwendigen Bau des Bärengeheges aus den 70er Jahren. -F.: Archiv Nationalpark Bayerischer Wald
Grafenau. Heute geht es um die Frage, wie schnell man die Ideen der Parkgründung in die Wirklichkeit umsetzen konnte und im Speziellen um die Suche nach geeigneten Plätzen für die angedachten Tierfreigelände. Die Mannschaft des neu gegründeten Nationalparkamtes stand zum Anfang des Jahres 1970 vor einer großen Herausforderung: Im Herbst sollte das Schutzgebiet feierlich eröffnet werden - als Bayerns Beitrag zum Europäischen Naturschutzjahr. Im Gründungsbeschluss vom Juni 1969 wird festgehalten, dass dieser Nationalpark "entsprechend den Vorschlägen des Gutachtens zum Plan eines Nationalparks von Prof. Dr. Haber" zu errichten sei. Die entsprechenden Passagen dieses Gutachtens waren dem Landtagsbeschluss beigefügt. In der Anlage hieß es u.a. im Punkt 2: "In diesem Gebiet werden mindestens fünf Großwild-Schaugehege von jeweils sechs bis 15 Hektar Größe angelegt..."
Das Bärengehege ist auch heute noch eine der Attraktionen des Nationalparks. -F.:Elke Ohland Nationalpark Bayerischer WaldIn diesen Gehegen sollen Rothirsche, Wildschweine, Bären, Wisente und Elche gehalten werden. Als Plätze würden - vorbehaltlich einer genauen Prüfung - in Frage kommen: Neuhütte, Guglöd, Altschönau, Weidhütte und Glashütte..." Die Herausforderung war nun in mehrerlei Hinsicht problematisch. Die Freiflächen der oben genannten Orte, im wesentlichen landwirtschaftlich genutztes Grünland, befanden sich in Eigentum von Landwirten. Hier wären langwierige Verhandlungen mit den Eigentümern dieser Grundstücke erforderlich. Die Bereitschaft zur Abgabe von Grund und Boden war seinerzeit nicht so ohne weiteres vorhanden. Und folgerichtig schossen die Grundstückspreise auf diesen Rodungsinseln bzw. auf den an den Staatsforst angrenzenden Flächen dramatisch in die Höhe. Es bestand kaum die Hoffnung, größere zusammenhängende Grünflächen für den Bau von Gehegen zu erwerben. Allein aus pragmatischen Überlegungen konzentrierten sich deswegen die planerischen Vorstellungen für die Großgehege auf den Wald, der ja in seiner Gesamtheit im Eigentum des Freistaates Bayern stand. Durch Anweisungen aus dem Ministerium sollte das erste Rothirschgehege in Altschönau entstehen. Dort gab es bereits im Umfeld der Forstdienststelle eine sogenannte "Rotwild-Fütterung". Durch großzügige Einzäunung dieser Futterstelle könnte der Forderung nach Errichtung eines Großgeheges auf relativ einfache Weise entsprochen werden. Für die Wisente, die zu dieser Zeit bereits in den Gehegen von Hubert Weinzierl bei Neustadt a.d. Donau auf eine Übersiedlung in den Bayerischen Wald warteten, konzentrierten sich die Überlegungen auf den Wald hinter Neuschönau nordwestlich der sogenannten Kreuzstraße. Nach intensiven Begehungen und Kartierungen entstand der Plan für das zweite Großgehege. Um darüber hinaus eine weitere vorzeigbare Beobachtungsmöglichkeit für Wildtiere vorweisen zu können, wurde auch noch ein Platz ausfindig gemacht, in dem ein Gehege für Luchse entstehen könnte. Bis zur geplanten Eröffnung standen nun für den Bau gerade mal fünf Monate zur Verfügung.
Die Herausforderung: drei größere Gehege als Vorzeige-Objekte zu errichten, stand am Anfang der Arbeit für den Nationalpark. Die wichtigste Überlegung: "Wir brauchen einen begabten und versierten Bauleiter". Für Dr. Georg Sperber war klar: Hier kommt nur der "beste Waldarbeiter Bayerns" in Frage. Seine Wahl fiel auf den Werkstatt-Leiter bei der Waldarbeitsschule in Buchenbühl (nahe Nürnberg), Hermann Puchinger. Er kannte diesen herausragenden Handwerker und Organisator aus seiner Arbeit, bevor er in den Nationalpark berufen worden war. Dr. Sperber war dort als Lehrer im Einsatz. Zunächst war jedoch eine mühsame Überzeugungsarbeit erforderlich, die schließlich auch erfolgreich war. Eine der glücklichsten Umstände in der Zeit der Entstehung des Nationalparks war die Tatsache, dass in den Forstämtern eine jeweils weit überhöhte Zahl an Arbeitskräften zur Verfügung stand. Bereitwillig werden von den Forstämtern Waldarbeiter abgestellt, die nun bei dem Aufbau der Infrastruktur für den Nationalpark eingesetzt werden konnten. In wenigen Wochen entstanden nun die ersten Einrichtungen. Zeitweilig waren bis zu 100 Arbeitskräfte gleichzeitig im Einsatz. Eine logistische Meister-Leistung: Das Ziel war eine große Feier, die schon bald auf den 7. Oktober festgelegt worden war.
Eine weitere gewichtige Idee entstand spontan: Besucher, die von Anfang an in größerer Zahl erwartet wurden, sollten die Gehege von einem zentralen Ausgangspunkt erleben (erwandern) können. Deswegen wurden Hirschgehege, Wisentgehege und Luchsgehege mit einem Rundwanderweg verbunden. Als Anlaufstelle für Besucher sollte ein größerer Parkplatz dienen. Hierfür bot sich eine Freifläche an der Straße an, die zu diesem Zeitpunkt als Sportplatz diente. Früher handelte es sich um einen Holzlagerplatz, wo in den Jahren bis 1960 die Waldeisenbahn (Schmalspurbahn für den Abtransport von Holz) einen wichtigen Schnittpunkt hatte. Für den Sportverein musste ein Ausweichplatz gefunden werden. Oberhalb der Schule in Neuschönau wurde schließlich ein neuer Sportplatz geschaffen, der auch für den Schulunterricht geeignet war. Die Eröffnungs-Feier konnte nun auf dem alten Sportplatz inszeniert werden. Michael Haug
Teil 16 der GA-Serie
Wohin mit Braunbär und Co?
GA-Serie zum 50. Geburtstag des Nationalparks - versprochene Großtiergehege verlangen strategische Planung Michael Haug 23.01.2020 | Stand 22.01.2020, 19:36 Uhr
Dieses Bild zeigt den aufwendigen Bau des Bärengeheges aus den 70er Jahren. -F.: Archiv Nationalpark Bayerischer Wald
Grafenau. Heute geht es um die Frage, wie schnell man die Ideen der Parkgründung in die Wirklichkeit umsetzen konnte und im Speziellen um die Suche nach geeigneten Plätzen für die angedachten Tierfreigelände. Die Mannschaft des neu gegründeten Nationalparkamtes stand zum Anfang des Jahres 1970 vor einer großen Herausforderung: Im Herbst sollte das Schutzgebiet feierlich eröffnet werden - als Bayerns Beitrag zum Europäischen Naturschutzjahr. Im Gründungsbeschluss vom Juni 1969 wird festgehalten, dass dieser Nationalpark "entsprechend den Vorschlägen des Gutachtens zum Plan eines Nationalparks von Prof. Dr. Haber" zu errichten sei. Die entsprechenden Passagen dieses Gutachtens waren dem Landtagsbeschluss beigefügt. In der Anlage hieß es u.a. im Punkt 2: "In diesem Gebiet werden mindestens fünf Großwild-Schaugehege von jeweils sechs bis 15 Hektar Größe angelegt..."
Das Bärengehege ist auch heute noch eine der Attraktionen des Nationalparks. -F.:Elke Ohland Nationalpark Bayerischer WaldIn diesen Gehegen sollen Rothirsche, Wildschweine, Bären, Wisente und Elche gehalten werden. Als Plätze würden - vorbehaltlich einer genauen Prüfung - in Frage kommen: Neuhütte, Guglöd, Altschönau, Weidhütte und Glashütte..." Die Herausforderung war nun in mehrerlei Hinsicht problematisch. Die Freiflächen der oben genannten Orte, im wesentlichen landwirtschaftlich genutztes Grünland, befanden sich in Eigentum von Landwirten. Hier wären langwierige Verhandlungen mit den Eigentümern dieser Grundstücke erforderlich. Die Bereitschaft zur Abgabe von Grund und Boden war seinerzeit nicht so ohne weiteres vorhanden. Und folgerichtig schossen die Grundstückspreise auf diesen Rodungsinseln bzw. auf den an den Staatsforst angrenzenden Flächen dramatisch in die Höhe. Es bestand kaum die Hoffnung, größere zusammenhängende Grünflächen für den Bau von Gehegen zu erwerben. Allein aus pragmatischen Überlegungen konzentrierten sich deswegen die planerischen Vorstellungen für die Großgehege auf den Wald, der ja in seiner Gesamtheit im Eigentum des Freistaates Bayern stand. Durch Anweisungen aus dem Ministerium sollte das erste Rothirschgehege in Altschönau entstehen. Dort gab es bereits im Umfeld der Forstdienststelle eine sogenannte "Rotwild-Fütterung". Durch großzügige Einzäunung dieser Futterstelle könnte der Forderung nach Errichtung eines Großgeheges auf relativ einfache Weise entsprochen werden. Für die Wisente, die zu dieser Zeit bereits in den Gehegen von Hubert Weinzierl bei Neustadt a.d. Donau auf eine Übersiedlung in den Bayerischen Wald warteten, konzentrierten sich die Überlegungen auf den Wald hinter Neuschönau nordwestlich der sogenannten Kreuzstraße. Nach intensiven Begehungen und Kartierungen entstand der Plan für das zweite Großgehege. Um darüber hinaus eine weitere vorzeigbare Beobachtungsmöglichkeit für Wildtiere vorweisen zu können, wurde auch noch ein Platz ausfindig gemacht, in dem ein Gehege für Luchse entstehen könnte. Bis zur geplanten Eröffnung standen nun für den Bau gerade mal fünf Monate zur Verfügung.
Die Herausforderung: drei größere Gehege als Vorzeige-Objekte zu errichten, stand am Anfang der Arbeit für den Nationalpark. Die wichtigste Überlegung: "Wir brauchen einen begabten und versierten Bauleiter". Für Dr. Georg Sperber war klar: Hier kommt nur der "beste Waldarbeiter Bayerns" in Frage. Seine Wahl fiel auf den Werkstatt-Leiter bei der Waldarbeitsschule in Buchenbühl (nahe Nürnberg), Hermann Puchinger. Er kannte diesen herausragenden Handwerker und Organisator aus seiner Arbeit, bevor er in den Nationalpark berufen worden war. Dr. Sperber war dort als Lehrer im Einsatz. Zunächst war jedoch eine mühsame Überzeugungsarbeit erforderlich, die schließlich auch erfolgreich war. Eine der glücklichsten Umstände in der Zeit der Entstehung des Nationalparks war die Tatsache, dass in den Forstämtern eine jeweils weit überhöhte Zahl an Arbeitskräften zur Verfügung stand. Bereitwillig werden von den Forstämtern Waldarbeiter abgestellt, die nun bei dem Aufbau der Infrastruktur für den Nationalpark eingesetzt werden konnten. In wenigen Wochen entstanden nun die ersten Einrichtungen. Zeitweilig waren bis zu 100 Arbeitskräfte gleichzeitig im Einsatz. Eine logistische Meister-Leistung: Das Ziel war eine große Feier, die schon bald auf den 7. Oktober festgelegt worden war.
Eine weitere gewichtige Idee entstand spontan: Besucher, die von Anfang an in größerer Zahl erwartet wurden, sollten die Gehege von einem zentralen Ausgangspunkt erleben (erwandern) können. Deswegen wurden Hirschgehege, Wisentgehege und Luchsgehege mit einem Rundwanderweg verbunden. Als Anlaufstelle für Besucher sollte ein größerer Parkplatz dienen. Hierfür bot sich eine Freifläche an der Straße an, die zu diesem Zeitpunkt als Sportplatz diente. Früher handelte es sich um einen Holzlagerplatz, wo in den Jahren bis 1960 die Waldeisenbahn (Schmalspurbahn für den Abtransport von Holz) einen wichtigen Schnittpunkt hatte. Für den Sportverein musste ein Ausweichplatz gefunden werden. Oberhalb der Schule in Neuschönau wurde schließlich ein neuer Sportplatz geschaffen, der auch für den Schulunterricht geeignet war. Die Eröffnungs-Feier konnte nun auf dem alten Sportplatz inszeniert werden. Michael Haug
Teil 17 der GA-Serie zum 50. Geburtstag des Nationalparks
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Schutzgebietsausweisung verhindert große Ferienkomplexe
Michael Haug 30.01.2020 | Stand 29.01.2020, 20:28 Uhr
Der Ferienpark in Bischofsmais. In Spiegelau am Hüttenberg sollte ein weitgehend identischer Baukomplex aus fünf mehrgeschossigen (Hoch)-Häusern entstehen. -Foto: Haug
Grafenau Heute geht es um die geplatzten Pläne für einen Ferienpark in Spiegelau. Am Ende der 60er Jahre, aber vorrangig zum Anfang der 70er Jahre, rollte ein Bauboom über den Bayerischen Wald. Ergebnisse dieser - touristisch motivierten - Großinvestitionen können heute noch im ganzen Bayerischen Wald "bewundert" werden (z. B. in Freyung, Haidmühle, Altreichenau). Anlass für diese, teilweise riesigen Bauprojekte, war eine Änderung der Steuergesetzgebung. Investitionen im Grenzland, in volkswirtschaftlichen Problemgebieten, wurden belohnt. Wer hier sein Geld investierte, konnte erheblich Steuern sparen. In den Wirtschaftswunderzeiten der 50er und 60er Jahre gab es zahlreiche Leute, die stattliche Einkünfte erwirtschaftet hatten und jetzt vor der Frage standen, wie man das neu erworbene Vermögen gewinnbringend anlegen konnte, bzw. man Steuern sparen könne. In diesem volkswirtschaftlichen Klima, unter diesen Rahmenbedingungen, gab es findige Geschäftsleute, die eine neue Geschäftsidee entwickelten. Häufig ohne eigenes Kapital, gründeten sie eine Baugesellschaft (GmbH&Co. KG) zur Errichtung von touristischen Großprojekten. Anteile an diesen Objekten waren eine wichtige Handelsware. Mit Hilfe von Architekten und Fachplanern entstanden auf diese Weise zunächst Ideen für Ferienanlagen, bestehend aus oft mehreren Hundert Appartements sowie die hierzu erforderlichen Nebeneinrichtungen wie Zentralgebäude und Verwaltung, Gaststätte und Freizeiteinrichtungen wie Spielplätze, Hallenbad etc. Den Gemeinden wurden vor allem die Nebenanlagen als zugkräftige Attraktionen für den gerade aufkeimenden Tourismus schmackhaft gemacht. So stand z. B. das Hallenbad des privaten Betriebes auch den übrigen Feriengästen und den Einheimischen zur Verfügung.Deswegen fanden diese Großinvestitionen oft auch bei den Kommunen entsprechende Zustimmung. An zahlreichen Stellen im Bayerischen Wald entstanden dann tatsächlich solche Einrichtungen, so auch am Rande des Nationalparks, denn hier erhoffte man sich darüber hinaus auch noch eine neue Attraktion für das Potenzial der zu erwartenden Gäste. Eine solche Investition war auch in Spiegelau bis zur Planungsreife gediehen. Am sogenannten Hüttenberg oberhalb der Glasfabrik sollte der Ferienpark entstehen. Die staatliche Forstverwaltung hatte seinerzeit für den Verkauf dieser Flächen bereits die Zustimmung erteilt und so wurden sogar schon erste Schritte für die Erschließung in Angriff genommen. Die notarielle Beurkundung war eigentlich nur noch eine Formsache. Womit damals keiner gerechnet hatte: Es handelte sich bei diesen Flächen um Staatswald und der war zwischenzeitlich für einen Nationalpark vorgesehen. Bei den Behörden waren diese Großinvestitionen ohnehin auf Skepsis gestoßen. Die riesigen Betonklötze passten nicht ins Landschaftsbild und stießen auch wegen ihrer touristischen Konzepte nicht auf uneingeschränkte Zustimmung. Als der für den Staatswald zuständige Landwirtschaftsminister Dr. Hans Eisenmann von diesem Vorhaben erfuhr, legte er ein Veto ein und stoppte den Verkauf. Wie das architektonische Ensemble damals ausgesehen hätte, kann man am Beispiel Bodenmais sehen. Die "Hanseatische Bau- und Betreuungsgesellschaft" mit Sitz in Hamburg hatte dort vor 50 Jahren eine nahezu identische Einrichtung gebaut. Heute ist es vielerorts ein größeres Problem, wie man mit diesen Investitionsruinen verfahren soll. Michael Haug
Der Ferienpark in Bischofsmais. In Spiegelau am Hüttenberg sollte ein weitgehend identischer Baukomplex aus fünf mehrgeschossigen (Hoch)-Häusern entstehen. -Foto: Haug
Grafenau Heute geht es um die geplatzten Pläne für einen Ferienpark in Spiegelau. Am Ende der 60er Jahre, aber vorrangig zum Anfang der 70er Jahre, rollte ein Bauboom über den Bayerischen Wald. Ergebnisse dieser - touristisch motivierten - Großinvestitionen können heute noch im ganzen Bayerischen Wald "bewundert" werden (z. B. in Freyung, Haidmühle, Altreichenau). Anlass für diese, teilweise riesigen Bauprojekte, war eine Änderung der Steuergesetzgebung. Investitionen im Grenzland, in volkswirtschaftlichen Problemgebieten, wurden belohnt. Wer hier sein Geld investierte, konnte erheblich Steuern sparen. In den Wirtschaftswunderzeiten der 50er und 60er Jahre gab es zahlreiche Leute, die stattliche Einkünfte erwirtschaftet hatten und jetzt vor der Frage standen, wie man das neu erworbene Vermögen gewinnbringend anlegen konnte, bzw. man Steuern sparen könne. In diesem volkswirtschaftlichen Klima, unter diesen Rahmenbedingungen, gab es findige Geschäftsleute, die eine neue Geschäftsidee entwickelten. Häufig ohne eigenes Kapital, gründeten sie eine Baugesellschaft (GmbH&Co. KG) zur Errichtung von touristischen Großprojekten. Anteile an diesen Objekten waren eine wichtige Handelsware. Mit Hilfe von Architekten und Fachplanern entstanden auf diese Weise zunächst Ideen für Ferienanlagen, bestehend aus oft mehreren Hundert Appartements sowie die hierzu erforderlichen Nebeneinrichtungen wie Zentralgebäude und Verwaltung, Gaststätte und Freizeiteinrichtungen wie Spielplätze, Hallenbad etc. Den Gemeinden wurden vor allem die Nebenanlagen als zugkräftige Attraktionen für den gerade aufkeimenden Tourismus schmackhaft gemacht. So stand z. B. das Hallenbad des privaten Betriebes auch den übrigen Feriengästen und den Einheimischen zur Verfügung.Deswegen fanden diese Großinvestitionen oft auch bei den Kommunen entsprechende Zustimmung. An zahlreichen Stellen im Bayerischen Wald entstanden dann tatsächlich solche Einrichtungen, so auch am Rande des Nationalparks, denn hier erhoffte man sich darüber hinaus auch noch eine neue Attraktion für das Potenzial der zu erwartenden Gäste. Eine solche Investition war auch in Spiegelau bis zur Planungsreife gediehen. Am sogenannten Hüttenberg oberhalb der Glasfabrik sollte der Ferienpark entstehen. Die staatliche Forstverwaltung hatte seinerzeit für den Verkauf dieser Flächen bereits die Zustimmung erteilt und so wurden sogar schon erste Schritte für die Erschließung in Angriff genommen. Die notarielle Beurkundung war eigentlich nur noch eine Formsache. Womit damals keiner gerechnet hatte: Es handelte sich bei diesen Flächen um Staatswald und der war zwischenzeitlich für einen Nationalpark vorgesehen. Bei den Behörden waren diese Großinvestitionen ohnehin auf Skepsis gestoßen. Die riesigen Betonklötze passten nicht ins Landschaftsbild und stießen auch wegen ihrer touristischen Konzepte nicht auf uneingeschränkte Zustimmung. Als der für den Staatswald zuständige Landwirtschaftsminister Dr. Hans Eisenmann von diesem Vorhaben erfuhr, legte er ein Veto ein und stoppte den Verkauf. Wie das architektonische Ensemble damals ausgesehen hätte, kann man am Beispiel Bodenmais sehen. Die "Hanseatische Bau- und Betreuungsgesellschaft" mit Sitz in Hamburg hatte dort vor 50 Jahren eine nahezu identische Einrichtung gebaut. Heute ist es vielerorts ein größeres Problem, wie man mit diesen Investitionsruinen verfahren soll. Michael Haug
Teil 18 der GA-Serie Schnee-Rekord im ersten Park-Winter
GA-Serie zum 50. Jubiläum des Nationalparks - 1970 gab es Schneereste bis in den Sommer hinein
GA-Serie zum 50. Jubiläum des Nationalparks - 1970 gab es Schneereste bis in den Sommer hinein
Michael Haug. 03.02.2020 | Stand 02.02.2020, 19:32 Uhr Ostern 1970 nahm Michael Haug dieses Foto am Ortsende Neuschönau in Richtung Forstwald auf. Die Schneehöhe betrug damals einen Meter. -Foto: Haug. Grafenau. Heute geht es um die klimatischen Bedingungen im Gebiet des neuen Nationalparks. Bei den Diskussionen um die um den Nationalpark im Bayerischen Wald wurde vor allem aus der Forstverwaltung argumentiert, dass sich das Gebiet allein deswegen nicht für die Wiederabsiedlung von Großtieren oder die Anlage von Schau-Gehegen eignet, weil für die Winter viel zu schneereich sind. Viel geschneit hatte es in diesen ersten Winter freilich nicht. Gerade mal 20 bis 30 Zentimeter Schnee waren von November bis Januar zusammen gekommen. Als nun in den ersten Tagen des Februars bereits erste schneefreie Stellen im Gelände zu sehen waren, so zum Beispiel bei Guglöd oder an anderen süd- oder südwest orientierten Hanglagen, war die verbreitete Aussicht, dass der Winter nun bald vorbei ist und dass der Frühling bald beginnen würde. Die erste Woche des Februars war bereits vorbei, als es erneut zu Schneefällen kam. Der gesamte Rest des Februar und der gesamte März hat es dann schließlich so gut wie jeden Tag geschneit. Die Schneedecke wuchs kontinuierlich, insbesondere in den höheren Lagen. Nun erwies es sich als Glücksfall, dass das Team der Oberforstdirektion von der Standort-Erkundung während dieser Zeit im neu gegründeten Nationalpark aufhielt. Am Ende dieser zweimonatigen Schneefall-Periode konnte dieses außergewöhnliche Ereignis relativ genau dokumentiert werden. Die Wissenschaftler um Dr. Wolfram Elling haben nicht nur die Schneehöhen über das gesamte Gebiet des Nationalparks sorgfältig dokumentiert. Es gab auch genau Messungen über die Schnee-Dichte und Berechnungen über den Wassergehalt. Ich erinnere mich noch sehr gut an einige Ereignisse. Rum um den Lusen wurde damals eine durchschnittliche Schneehöhe von über drei Metern gemessen. Durch gelegentliche Regenfälle und vor allem durch den Druck der darüberliegenden Schneemassen war der Schnee relativ dicht gepackt und enthielt eine Wassersäule von bis zu sieben Metern. Die Wissenschaftler haben ihrer Zeit errechnet, dass im Nationalpark Schnee einer riesigen Wassermenge gespeichert ist, die etwas dem jährlichen Trinkwasserverbrauch einer Großstadt wie Regensburg entspricht. Auch am unterem Rande des Nationalparks war noch mit einer durchschnittlichen Schneehöhe von mehr als 1,5 Meter zu rechnen. Ich wohnte damals mit meiner Familie in Neuschönau. Das Bild unseres Wohnhauses zeigt die Situation um die Oster-Feiertage. Von Karfreitag bis Ostersonntag gab es hier nochmals 30 bis 40 Zentimeter Neuschnee. Die Schneewände am Hauseingang waren so hoch, dass es kaum noch möglich war, den neu gefallenen Schnee zur Seite zu räumen, weil kein Platz mehr vorhanden war. Das Auto unserer Gäste, das in der Garageneinfahrt stand, war so gut wie nicht mehr zu sehen. Der Wind hatte es total zugeschneit. Und wenn man nicht mit dem Auto durch die Gegend fuhr, dann waren die Schneewände an der an den Straßenrändern so hoch, dass es unmöglich war, etwas von der Landschaft zu sehen. Er sollte wohl einer schneereichsten Winter im Bayerwald werden. Über die Jahre zuvor war kein ähnliches Ereignis dokumentiert. Wir haben damals eine wichtige Lektion gelernt: Bei allen Planungen im Gelände ist es wichtig, dass man sich von vornherein Gedanken machen muss: "Wohin mit dem Schnee", wenn es mal kräftiger schneit. Es hat damals 1970 übrigens bis in den Juli gedauert, bis die letzten Schneereste aus der Landschaft verschwunden waren. Am Pfingstsonntag habe ich, wie damals häufiger, einen Besuch auf den Lusen gemacht. Aus dem Oberen Reschbachtal aufgestiegen traf ich den Leiter des Forstamtes Freyung Friedrich Herzinger. Er hatte seine Skier mit dabei und er hat uns erklärt, dass er ohne größere Probleme mit seinen Skiern ins Reschbachtal abfahren kann. Es ist in diesem Zusammenhang übrigens spannend zu erwähnen, dass bis im darauffolgenden Winter es so gut wie überhaupt keinen Schnee gab. Zwischen Dezember und März ist im gesamten Bayerischen Wald nicht eine einzige Schneeflocke gefallen und damit selbstverständlich auch kein einziger Skilift in Betrieb gewesen. Der Bayerische Wald hat uns am Beginn unserer Arbeit gelehrt, zu welchen Extremen hinsichtlich der Wetterereignisse er fähig ist. Michael Haug.
Teil 19 - GA-Serie Zwischen den Fronten
Nur persönliche Kontakte ermöglichten dem jungen Nationalpark Verbindungen durch den Eisernen Vorhang nach Böhmen
Nur persönliche Kontakte ermöglichten dem jungen Nationalpark Verbindungen durch den Eisernen Vorhang nach Böhmen
Michael Haug 27.02.2020 | Stand 26.02.2020, 16:56 Uhr
Blick vom Lusen in das Pürstlingstal. In den Zeiten des Kalten Krieges war dieser Bereich auf tschechischer Seite Sperrgebiet. -F.: Nationalpark Bayerischer Wald/ Dr. Franz Leibl Grafenau. Heute geht es um die politische Großwetterlage bei Gründung des Nationalparks. Kontakte über die Grenze hinweg von staatlichen Behörden unterliegen strengen Regeln. Darüber wacht das Bundes-Außenministerium. Offizielle Kontaktaufnahme mit den für das Gebiet jenseits der Grenze zuständigen Verwaltungen war für die Verantwortlichen im Nationalpark zunächst keine Option. Dennoch gab es Versuche, mit solchen Personen ins Gespräch zu kommen, die sich im Gebiet auskannten und gegebenenfalls auch mit den, eher zoologischen Fragen vertraut waren. Für Hubert Weinzierl, der in den 68-er Jahren schon als Naturschutz-Fachmann Kontakte geknüpft hatte, war einer der wichtigsten Ansprechpartner Ing. Karel Achs. Er war Forstmann und hatte als Beauftragter der Militär-Forstverwaltung einerseits Erkenntnisse über die Wälder aber auch über die Tierwelt. Ihm war es zu verdanken, dass zumindest einige Erkenntnisse z. B. über Rothirsch und Auerhuhn oder über Fischotter und andere wichtige Problem-Arten abgefragt werden konnten. Die Kontakte nach Schüttenhofen (heute Sušice) hatten freilich eher privaten Charakter. Solche privaten Kontakte konnten wir später auch mit Václav Polák aufbauen. Er war an der staatlichen Behörde für Naturschutz und Denkmalpflege an der Regierung von Südböhmen in Budweis (heute České Budějovice) tätig. Mit ihm entwickelte sich in den Folgejahren ein freundschaftliches, familiäres Verhältnis. Ein gewaltiges Problem, das alle Verantwortlichen in den ersten Jahren nachhaltig beschäftigte, waren die Rothirsche, die zu diesem Zeitpunkt in großer Zahl an den mehr als ein Dutzend "Rotwild"-Fütterungen standen, freilich vorwiegend nur während der Wintermonate und die sich während der Sommer- und Herbstmonate in die weitgehend ungestörten Gebiete jenseits der Landesgrenze zurückzogen und damit auch nur mühsam beobachtet bzw. bejagt werden konnten. Es gab auf diese Weise ein großes und zunehmend wichtiges Interesse: Wie sieht es aus auf der anderen Seite der Landesgrenze? Wo leben die Hirsche während dieser Hälfte des Jahres? Diese Neugier bezog sich nicht nur auf den unbekannten Aufenthaltsort der Rothirsche. Die Population der Auerhühner stand kurz vor dem Zusammenbruch; immerhin eine der Leitarten des Naturschutzes zu diesem Zeitpunkt und Charaktervogel der Region. In einem Naturschutzgebiet mit hohem Anspruch konnte dieser dramatische Niedergang nicht tatenlos hingenommen werden. Eine ganze Reihe weiterer "Problemarten" des Nationalparks waren auf den Ergänzungs-Lebensraum jenseits der Grenze angewiesen. Beim Fischotter gab es gar die weitgehende Gewissheit, dass dieses, zum damaligen Zeitpunkt am meisten gefährdete Säugetier Mitteleuropas, bislang nur deswegen überlebt hatte, weil die geringen Restbestände durch regelmäßigen Zuzug aus dem Osten überlebt hatten. Und weitere Tierarten mit großräumigen Lebensraumanspruch brauchten als Ergänzung zum relativen kleinem Nationalpark einen größeren Naturraum, also ein Nationalpark-Umfeld, das den jeweiligen Bestand sicherte. Die Überlegungen zur Wiederansiedlung von ausgestorbenen Tierarten wie z. B. Habichtskauz und Kolkrabe oder die Idee zur Stabilisierung der dramatisch geschrumpften Population von Wanderfalken und Uhus verlangten nach Kontaktaufnahme mit Fachleuten des Naturschutzes jenseits der Grenze. Im Gebiet, hinter dem Rachel und Lusen hatte, freilich das Militär ein riesiges Truppenübungsgelände eingerichtet, das streng überwacht war. Vom Panzerübungsgelände war auf unserer Seite oftmals nur das Grollen der Geschütze zu hören, die hier auf einer Schießbahn erprobt wurden. Das riesige Areal stand unter der Verwaltung der Truppen des Warschauer Paktes, die erst jüngst (1968) in die CSFR einmarschiert waren und die dem sogenannte "Prager Frühling" ein jähes Ende bereitet hatten. Streng überwachte und entsprechend geschützte Radaranlagen zur Überwachung des Luftraumes waren von den sowjetischen Truppen eingerichtet worden. Auch die einheimische Bevölkerung war mit strengen Regeln und Kontrollen am Betreten dieses Gebietes gehindert. Wir befanden uns in den ersten Jahren nach der Gründung des Nationalparks mitten im "Kalten Krieg" und der "Eiserne Vorhang" verlief wenige 100 Meter, an manchen Stellen bis zu einem Kilometer hinter der Landesgrenze: ein intensiv überwachtes und mit militärischen Sperranlagen durchzogenes Gebiet, das von Hundertschaften von Militärs überwacht wurde. Es war hoffnungslos, jemals einen Einblick in dieses Gebiet bekommen zu können. Bis zu 15 Kilometer weit in das Landesinnere reichte teilweise die Sperrzone. Auf die Beschränkungen wurde in engem Abstand am Rande der Sperrzone hingewiesen. In die ersten Jahre der Nationalpark-Gründung fällt auch jene Zeit, in der die erste Zaunanlage aus den 1950er Jahren marode geworden war, und die sowohl aus praktischen Erwägungen als auch aus taktischen Gründen noch weiter zurück ins Landesinnere verlegt worden war. Die Flucht aus dem kommunistischen Machtbereich sollte noch weiter erschwert werden. Ein Überwinden der Grenzsperren - eine doppelte Zaunanlage - wurde unter anderem dadurch erschwert, dass derjenige, der eventuell den Zaun bereits überwunden hatte, noch über eine größere Distanz verfolgt werden konnte. Betrachtet man die Entwicklung auf der böhmischen Seite, so verwundert es zunächst, dass die dortigen Naturschutz-Fachstellen schon sehr viel früher als auf bayerischer Seite Konsequenzen aus der außergewöhnlichen Naturausstattung des Böhmerwaldes gezogen hatten. Unter Leitung von L. Vodak wurde schon Anfang der 1960er Jahre durch die staatlichen Stellen des Naturschutzes und der Denkmalpflege ein Schutzgebiets-Konzept erarbeitet. Zum Jahresende 1963 wurde der gesamte Böhmerwald als großräumiges Schutzgebiet ausgewiesen. Das Landschaftsschutzgebiet (tsch.:CHKO) Šumava hat eine Fläche von 1630 Quadratkilometer. Es ist bis heute das größte geschützte Areal der gesamten Tschechischen Republik. Für das Gebiet wurden eigene regionale Verwaltungen in Sušice (Schüttenhofen) und Vimperk (Winterberg) geschaffen. Im Rahmen der staatlichen Planungen für diese Region wurde schon 1969 die Erklärung von Teilen dieses Schutzgebietes als Nationalpark ins Auge gefasst. Schon bald liefen die Planungen zu Ausweisung strengerer staatlicher Naturschutzgebiete und die Bemühungen zu einer endgültigen Abgrenzung des künftigen Nationalparks. Michael Haug
Teil 20 GA-Serie Das überschnelle Aus des Wildschadenspfades
50 Jahre Nationalpark - Der geplante Wildschadenpfad oder die undankbare Aufgabe, Tiere abschießen zu müssen
Michael Haug 25.03.2020 | Stand 25.03.2020, 00:32 Uhr
Dieses Schild sollte auf den geplanten Wildschadenspfad hinweisen. Es kam nie zum Einsatz. -Foto: Jöris
Grafenau. Die Befunde bei der Begründung des Nationalpark Bayerischer Wald waren offensichtlich: eine viel zu große Anzahl an Rothirschen hatte im Wald viel zu große Schäden verursacht. Aus forstlicher Sicht schien eine große größere Reduktion der stark überhöhnten Wildbestände unumgänglich. Der Konflikt, der sich hier auftut, wird leichter verständlich, wenn man Folgendes bedenkt. 1. Die Wildtiere haben eine einflussreiche Lobby, die organisierte Jägerschaft, hat einen nachhaltigen Einfluss, der bis in die höchsten Ämter in Politik, Wirtschaft und Verwaltung reicht. 2. Das Töten von Großtieren ist schon immer unpopulär gewesen. Die Jäger haben ein Problem mit den "Tierfreunden" und müssen sich für ihr Tun ständig rechtfertigen. 3. Bei dem uninformierten Teil der Bevölkerung lassen sich Emotionen aktivieren, die es auch noch bis heute gibt. 4. Forstleute, die aus der Erkenntnis heraus handeln, dass für ein ungestörtes Wachstum des Wildes eine hohe Ansiedlung von großen Pflanzenfressern "Gift" ist und deswegen auf niedrige Restbestände bestehen, können ins Visier von "Tierfreunden" geraten. 5. In den 60er Jahren wurden die vorigen Förster, die einen hohen Abschuss von Rehen und Hirschen durchsetzen, ein in der Öffentlichkeit als "Tiermörder" gebrandmarkt. 6. Das Verhältnis zwischen der Jägerlobby und der "Forstpartie" war nachhaltig gestört. Insbesondere bei den Waldbauorientierten gab es das Problem, dass sie wegen ihrer "wildfeindlichen Einstellung" an den Pranger gestellt wurden. In dieser Zeit entstand der Slogan: "Jagd ist angewandter Naturschutz". Bei der, nunmehr für den Nationalpark verantwortlichen Förstern ging die Angst um, mit dem Ziel einer Reduktion den Wildbestand zu schützen. Deswegen galt für alle Mitarbeiter in den ersten Monaten der Arbeit für den Nationalpark die Devise: "Wir müssen die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass das Abschießen einer größeren Menge von Hirschen und Rehen unabdinglich bzw. alternativlos ist." Die Beschlüsse des bayerischen Landtages und die Tatsache, dass es nunmehr eine eigene Verwaltung für den Nationalpark gibt, hat in der bundesweiten Öffentlichkeit ein entsprechendes Interesse am Bayerischen Wald ausgelöst. Insbesondere Journalisten, die für die Berichterstattung von Naturschutzfragen zuständig waren, fanden sich in der Region ein und wollten wissen, wie das Projekt Nationalpark nun angegangen bzw. umgesetzt wird. Dr. Sperber hatte die Idee:"Jeder, der sich für den Nationalpark interessiert, sollte zunächst dem seiner Ansicht nach katastrophalen Zustand des Waldes konfrontiert werden." Als Standorte für die ersten Gehege wurde bald das Gebiet um die sogenannte "Kreuzstraße" festgelegt. Dort entwickelte sich nach dem Verschwinden der riesen Schneemassen im Frühjahr 1977 eine Großbaustelle. Das Wisentgehege sollte mehrere Hektar groß werden und in seinem Umfeld sollte bei einer Felsengruppe das Luchsgehege entstehen. Von der Kreuzstraße verläuft eine geteerte Straße nach Norden in Richtung "Lusenparkstraße" (Waldhausreibe). Östlich dieser Straße befand sich ein größerer Bestand aus etwas 40 bis 60 Jahre alten Fichten. Wie viele andere dieser jungen Waldbestände waren dort die Bäume bis zu 100 Prozent "geschält" d. h. Rothirsche hatten hier während der Wintermonate den gesamten Baumbestand in einer Höhe von ein bis zwei Metern seiner Rinde befreit. So weit das Auge reicht, ein zum Aussterben verurteilter, Wald. Dieser Anblick sollte zum Pflichtprogramm für alle Besucher werden, die sich für die Entwicklung des Nationalparks interessieren. Das Schöne und gleichzeitig Attraktive an dem Steig, auf dem nunmehr alle wichtigen Besucher geführt wurden, war folgende Tatsache: Am Anfang, gleich bei der Straßenkreuzung gelangte man durch einen besonders attraktiven und naturnahen Bergmischwald mit Buchen, Tannen und Fichten. Ein idealer Ort, um auf die natürliche Waldstruktur zu verweisen, wie sie auch in den urwaldartig gebliebenen Waldteilen wie beispielsweise am Rachelsee zu besonders waren. Und dann, ein paar Schritte weiter der Schock: Totale Waldzerstörung durch die Tatsache, dass die Hirsche in den ausgrenzenden Waldbeständen ganze Arbeit geleistet hatten: Totale Zerstörung des Waldes als Folge überhöhter Wildbestände. Mit diesen Bildern sollte jeder konfrontiert werden. Der Pfad durch dieses Waldstück bei Neuschönau sollte künftig nicht mehr nur bei Führungen angeboten werden. Nein, er sollte in dieser Form dauerhaft mit Informationen für Besucher ausgestattet werden: Ein Lehrpfad für die Förderung von Erkenntnissen über den Nationalpark seine Ziele und seine aktuellen Probleme. Als Arbeitstitel für diese neue Bildungseinrichtung wurde der Titel "Wildschadenpfad" vorgegeben. Das Ministerium erhielt Kunde und hatte die Arbeiten einstellen lassen. Die erste hölzerne Information für den Nationalpark habe ich als Erinnerung an meine gestalterische Arbeit für dieses Projekt in meinen persönlichen Besitz genommen. Dort ist sie bis heute geblieben. Und ich bin stolz darauf, dass das "hölzerne Image" des Nationalparks bis in die heutigen Zeiten geschaffen hat. Die gestalterischen Ideen für die Besuchereinrichtungen sind bis heute ein Markenzeichen des Nationalpark Bayerischer Wald. In ihren Grundzügen sind sie im Frühjahr 1970 entstanden. Michael Haug
Dieses Schild sollte auf den geplanten Wildschadenspfad hinweisen. Es kam nie zum Einsatz. -Foto: Jöris
Grafenau. Die Befunde bei der Begründung des Nationalpark Bayerischer Wald waren offensichtlich: eine viel zu große Anzahl an Rothirschen hatte im Wald viel zu große Schäden verursacht. Aus forstlicher Sicht schien eine große größere Reduktion der stark überhöhnten Wildbestände unumgänglich. Der Konflikt, der sich hier auftut, wird leichter verständlich, wenn man Folgendes bedenkt. 1. Die Wildtiere haben eine einflussreiche Lobby, die organisierte Jägerschaft, hat einen nachhaltigen Einfluss, der bis in die höchsten Ämter in Politik, Wirtschaft und Verwaltung reicht. 2. Das Töten von Großtieren ist schon immer unpopulär gewesen. Die Jäger haben ein Problem mit den "Tierfreunden" und müssen sich für ihr Tun ständig rechtfertigen. 3. Bei dem uninformierten Teil der Bevölkerung lassen sich Emotionen aktivieren, die es auch noch bis heute gibt. 4. Forstleute, die aus der Erkenntnis heraus handeln, dass für ein ungestörtes Wachstum des Wildes eine hohe Ansiedlung von großen Pflanzenfressern "Gift" ist und deswegen auf niedrige Restbestände bestehen, können ins Visier von "Tierfreunden" geraten. 5. In den 60er Jahren wurden die vorigen Förster, die einen hohen Abschuss von Rehen und Hirschen durchsetzen, ein in der Öffentlichkeit als "Tiermörder" gebrandmarkt. 6. Das Verhältnis zwischen der Jägerlobby und der "Forstpartie" war nachhaltig gestört. Insbesondere bei den Waldbauorientierten gab es das Problem, dass sie wegen ihrer "wildfeindlichen Einstellung" an den Pranger gestellt wurden. In dieser Zeit entstand der Slogan: "Jagd ist angewandter Naturschutz". Bei der, nunmehr für den Nationalpark verantwortlichen Förstern ging die Angst um, mit dem Ziel einer Reduktion den Wildbestand zu schützen. Deswegen galt für alle Mitarbeiter in den ersten Monaten der Arbeit für den Nationalpark die Devise: "Wir müssen die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass das Abschießen einer größeren Menge von Hirschen und Rehen unabdinglich bzw. alternativlos ist." Die Beschlüsse des bayerischen Landtages und die Tatsache, dass es nunmehr eine eigene Verwaltung für den Nationalpark gibt, hat in der bundesweiten Öffentlichkeit ein entsprechendes Interesse am Bayerischen Wald ausgelöst. Insbesondere Journalisten, die für die Berichterstattung von Naturschutzfragen zuständig waren, fanden sich in der Region ein und wollten wissen, wie das Projekt Nationalpark nun angegangen bzw. umgesetzt wird. Dr. Sperber hatte die Idee:"Jeder, der sich für den Nationalpark interessiert, sollte zunächst dem seiner Ansicht nach katastrophalen Zustand des Waldes konfrontiert werden." Als Standorte für die ersten Gehege wurde bald das Gebiet um die sogenannte "Kreuzstraße" festgelegt. Dort entwickelte sich nach dem Verschwinden der riesen Schneemassen im Frühjahr 1977 eine Großbaustelle. Das Wisentgehege sollte mehrere Hektar groß werden und in seinem Umfeld sollte bei einer Felsengruppe das Luchsgehege entstehen. Von der Kreuzstraße verläuft eine geteerte Straße nach Norden in Richtung "Lusenparkstraße" (Waldhausreibe). Östlich dieser Straße befand sich ein größerer Bestand aus etwas 40 bis 60 Jahre alten Fichten. Wie viele andere dieser jungen Waldbestände waren dort die Bäume bis zu 100 Prozent "geschält" d. h. Rothirsche hatten hier während der Wintermonate den gesamten Baumbestand in einer Höhe von ein bis zwei Metern seiner Rinde befreit. So weit das Auge reicht, ein zum Aussterben verurteilter, Wald. Dieser Anblick sollte zum Pflichtprogramm für alle Besucher werden, die sich für die Entwicklung des Nationalparks interessieren. Das Schöne und gleichzeitig Attraktive an dem Steig, auf dem nunmehr alle wichtigen Besucher geführt wurden, war folgende Tatsache: Am Anfang, gleich bei der Straßenkreuzung gelangte man durch einen besonders attraktiven und naturnahen Bergmischwald mit Buchen, Tannen und Fichten. Ein idealer Ort, um auf die natürliche Waldstruktur zu verweisen, wie sie auch in den urwaldartig gebliebenen Waldteilen wie beispielsweise am Rachelsee zu besonders waren. Und dann, ein paar Schritte weiter der Schock: Totale Waldzerstörung durch die Tatsache, dass die Hirsche in den ausgrenzenden Waldbeständen ganze Arbeit geleistet hatten: Totale Zerstörung des Waldes als Folge überhöhter Wildbestände. Mit diesen Bildern sollte jeder konfrontiert werden. Der Pfad durch dieses Waldstück bei Neuschönau sollte künftig nicht mehr nur bei Führungen angeboten werden. Nein, er sollte in dieser Form dauerhaft mit Informationen für Besucher ausgestattet werden: Ein Lehrpfad für die Förderung von Erkenntnissen über den Nationalpark seine Ziele und seine aktuellen Probleme. Als Arbeitstitel für diese neue Bildungseinrichtung wurde der Titel "Wildschadenpfad" vorgegeben. Das Ministerium erhielt Kunde und hatte die Arbeiten einstellen lassen. Die erste hölzerne Information für den Nationalpark habe ich als Erinnerung an meine gestalterische Arbeit für dieses Projekt in meinen persönlichen Besitz genommen. Dort ist sie bis heute geblieben. Und ich bin stolz darauf, dass das "hölzerne Image" des Nationalparks bis in die heutigen Zeiten geschaffen hat. Die gestalterischen Ideen für die Besuchereinrichtungen sind bis heute ein Markenzeichen des Nationalpark Bayerischer Wald. In ihren Grundzügen sind sie im Frühjahr 1970 entstanden. Michael Haug
Teil 21 der Serie:50 Jahre Nationalpark
Als die Jagd zur "notwendigen Wildbestandsregelung" wurde
Riesige Schälschäden durch erhöhten Rotwildbestand: massive Reduktion und Einrichtung von Wintergattern als Lösung
Als die Jagd zur "notwendigen Wildbestandsregelung" wurde
Riesige Schälschäden durch erhöhten Rotwildbestand: massive Reduktion und Einrichtung von Wintergattern als Lösung
Michael Haug 09.04.2020 | Stand 08.04.2020, 20:17 Uhr
Den Winter verbringt das Rotwild im Bayerwald in Gattern. Die Einrichtungen stammen aus den Anfangsjahren des Nationalparks. -Foto: Ohland/NPV
Heute geht es um die Problematik der Jagd und der Wintergatter.
Wie in einem früheren Artikel im Rahmen dieser Serie schon geschrieben, hatte sich bei den Verantwortlichen großes Entsetzen über den Zustand des Waldes breitgemacht. Eingewiesen in die Probleme wurden die nunmehr für den Nationalpark Verantwortlichen durch Wissenschaftler um Dr. Wolfram Elling. Der war von der Oberforstdirektion Regensburg beauftragt, eine sogenannte Forsteinrichtung und Standorterkundung durchzuführen. Sie hatten somit einen zeitlichen Vorsprung und hatten sich schon im Herbst 1969 ein Bild vom Zustand der Wälder gemacht. "Die erste Waldinventur 1970 ergab, dass auf 3000 Hektar Schälschäden durch Rotwild vorhanden waren." So schreibt es Dr. Hans Bibelriether in seinem Buch von 2017. Und: "Fast 700 Hektar jüngere Waldbestände waren so massiv geschädigt, dass sie zusammenzubrechen drohten." Lange war mir persönlich nicht klar, wie es dazu kommen konnte, dass nun plötzlich das Personal des Nationalparkamtes für die "Tierbestandsregulierung" zuständig sein sollte. In der Aufgabenbeschreibung für das im August neu geschaffene Nationalparkamt war davon nicht die Rede. Der neuen Behörde war damals lediglich die Aufgabe zugewiesen worden, "Einrichtungen des Nationalparks" wie beispielsweise Schaugehege und Wanderwege, zu schaffen. An den Zuständigkeiten der Forstämter, zu denen selbstverständlich auch die Jagd gehörte, wurde im Prinzip nichts geändert. Bibelriether berichtet weiter in seinem Buch "Natur Natur seinlassen": "Eisenmann ermächtigte uns zu erklären: Im Nationalpark wird im herkömmlichen Sinn nicht mehr gejagt. Lediglich eine Wildbestandsregulierung bei Wildarten ohne natürliche Feinde ist notwendig." Aus der Jagd, die nunmehr in stark intensivierter Form erforderlich wurde, war eine neue Vokabel geworden: "Notwendige Wildbestandsregelung." Viel spannender ist in diesem Zusammenhang ein weiterer Sachverhalt in einem Gespräch im Januar 1970. Dabei ging es vorrangig um die Errichtung von drei Gehegen, die zur geplanten Eröffnung im Herbst 1970 fertiggestellt werden sollten. Zu diesem Gespräch findet sich ein zentraler Satz in den Erinnerungen von Hans Bibelriether: "Zum Ärger der Ministerialforstabteilung und der Oberforstdirektion stimmte Minister Eisenmann bereits auch grundsätzlich unserem Vorschlag zu, dass das Nationalparkamt die Zuständigkeit für die Tierbestandsregulierung erhält, d. h. für die Regulierung von Rot- und Rehwild." Eine förmliche Übertragung dieser Aufgaben im rechtlichen Sinne hat es in der Folgezeit nicht gegeben. Das Nationalparkamt erhielt mit 1. April 1970 eine eigene Dienstordnung (Geschäftsordnung für den Dienstbetrieb). Hier ist von der Übertragung zusätzlicher Aufgaben nicht die Rede. Als wichtiger Vordenker und Impulsgeber fungierte in diesen ersten Monaten und Jahren des Nationalparks der stellvertretende Leiter des Amtes Dr. Georg Sperber. Von ihm stammte damals auch die Idee, zur Lösung des sogenannten "Rotwildproblems" sogenannte "Wintergatter" einzurichten. An der Neuhüttenwiese und später in der Waldabteilung Riedlhäng bei Mauth entstanden je eine Großbaustelle. Anstelle der zahlreichen Rotwildfütterungen sollten fortan nur noch zwei großräumig eingezäunte Fütterungsbereiche entstehen. Es war seinerzeit das Ziel, möglichst alle im Gebiet lebenden Rothirsche ausschließlich in diesen Wintergattern während der kalten Jahreszeit mit geeignetem Futter zu versorgen und das Wild nach Möglichkeit in diese großräumigen Gatter "zu zwingen". Für diejenigen Wildtiere, die dies noch nicht gelernt hatten, drohte der Totalabschuss. Und diese Gatter sollten jeweils im Frühjahr erst dann geöffnet werden, wenn sich außerhalb die Vegetation bereits entfaltet hatte. Auf diese Weise erhofften sich die Verantwortlichen die gigantischen Schäden "in den Griff" zu bekommen. Zur Ausübung der Jagd zur dramatischen Reduktion der überhöhten Wildbestände genügte es nicht, sich auf die Forstbeamten zu verlassen, die in den Forstämtern und Forstrevieren für diese Aufgaben bislang zuständig waren. Jeder staatliche Beamte war zur Jagd verpflichtet. Die "Abschusszahlen" wurden freilich nicht erreicht, deswegen wurden sogenannte "Berufsjäger" angeheuert. Sie hatten zunächst die vorrangige Aufgabe, sich um die Fütterungen und um die Regulierung der Bestände zu kümmern. Der Nationalpark begab sich mit diesen Entscheidungen in eine Sackgasse, aus der er heute - 50 Jahre später - noch keinen vernünftigen Ausweg gefunden hat. Michael Haug
Den Winter verbringt das Rotwild im Bayerwald in Gattern. Die Einrichtungen stammen aus den Anfangsjahren des Nationalparks. -Foto: Ohland/NPV
Heute geht es um die Problematik der Jagd und der Wintergatter.
Wie in einem früheren Artikel im Rahmen dieser Serie schon geschrieben, hatte sich bei den Verantwortlichen großes Entsetzen über den Zustand des Waldes breitgemacht. Eingewiesen in die Probleme wurden die nunmehr für den Nationalpark Verantwortlichen durch Wissenschaftler um Dr. Wolfram Elling. Der war von der Oberforstdirektion Regensburg beauftragt, eine sogenannte Forsteinrichtung und Standorterkundung durchzuführen. Sie hatten somit einen zeitlichen Vorsprung und hatten sich schon im Herbst 1969 ein Bild vom Zustand der Wälder gemacht. "Die erste Waldinventur 1970 ergab, dass auf 3000 Hektar Schälschäden durch Rotwild vorhanden waren." So schreibt es Dr. Hans Bibelriether in seinem Buch von 2017. Und: "Fast 700 Hektar jüngere Waldbestände waren so massiv geschädigt, dass sie zusammenzubrechen drohten." Lange war mir persönlich nicht klar, wie es dazu kommen konnte, dass nun plötzlich das Personal des Nationalparkamtes für die "Tierbestandsregulierung" zuständig sein sollte. In der Aufgabenbeschreibung für das im August neu geschaffene Nationalparkamt war davon nicht die Rede. Der neuen Behörde war damals lediglich die Aufgabe zugewiesen worden, "Einrichtungen des Nationalparks" wie beispielsweise Schaugehege und Wanderwege, zu schaffen. An den Zuständigkeiten der Forstämter, zu denen selbstverständlich auch die Jagd gehörte, wurde im Prinzip nichts geändert. Bibelriether berichtet weiter in seinem Buch "Natur Natur seinlassen": "Eisenmann ermächtigte uns zu erklären: Im Nationalpark wird im herkömmlichen Sinn nicht mehr gejagt. Lediglich eine Wildbestandsregulierung bei Wildarten ohne natürliche Feinde ist notwendig." Aus der Jagd, die nunmehr in stark intensivierter Form erforderlich wurde, war eine neue Vokabel geworden: "Notwendige Wildbestandsregelung." Viel spannender ist in diesem Zusammenhang ein weiterer Sachverhalt in einem Gespräch im Januar 1970. Dabei ging es vorrangig um die Errichtung von drei Gehegen, die zur geplanten Eröffnung im Herbst 1970 fertiggestellt werden sollten. Zu diesem Gespräch findet sich ein zentraler Satz in den Erinnerungen von Hans Bibelriether: "Zum Ärger der Ministerialforstabteilung und der Oberforstdirektion stimmte Minister Eisenmann bereits auch grundsätzlich unserem Vorschlag zu, dass das Nationalparkamt die Zuständigkeit für die Tierbestandsregulierung erhält, d. h. für die Regulierung von Rot- und Rehwild." Eine förmliche Übertragung dieser Aufgaben im rechtlichen Sinne hat es in der Folgezeit nicht gegeben. Das Nationalparkamt erhielt mit 1. April 1970 eine eigene Dienstordnung (Geschäftsordnung für den Dienstbetrieb). Hier ist von der Übertragung zusätzlicher Aufgaben nicht die Rede. Als wichtiger Vordenker und Impulsgeber fungierte in diesen ersten Monaten und Jahren des Nationalparks der stellvertretende Leiter des Amtes Dr. Georg Sperber. Von ihm stammte damals auch die Idee, zur Lösung des sogenannten "Rotwildproblems" sogenannte "Wintergatter" einzurichten. An der Neuhüttenwiese und später in der Waldabteilung Riedlhäng bei Mauth entstanden je eine Großbaustelle. Anstelle der zahlreichen Rotwildfütterungen sollten fortan nur noch zwei großräumig eingezäunte Fütterungsbereiche entstehen. Es war seinerzeit das Ziel, möglichst alle im Gebiet lebenden Rothirsche ausschließlich in diesen Wintergattern während der kalten Jahreszeit mit geeignetem Futter zu versorgen und das Wild nach Möglichkeit in diese großräumigen Gatter "zu zwingen". Für diejenigen Wildtiere, die dies noch nicht gelernt hatten, drohte der Totalabschuss. Und diese Gatter sollten jeweils im Frühjahr erst dann geöffnet werden, wenn sich außerhalb die Vegetation bereits entfaltet hatte. Auf diese Weise erhofften sich die Verantwortlichen die gigantischen Schäden "in den Griff" zu bekommen. Zur Ausübung der Jagd zur dramatischen Reduktion der überhöhten Wildbestände genügte es nicht, sich auf die Forstbeamten zu verlassen, die in den Forstämtern und Forstrevieren für diese Aufgaben bislang zuständig waren. Jeder staatliche Beamte war zur Jagd verpflichtet. Die "Abschusszahlen" wurden freilich nicht erreicht, deswegen wurden sogenannte "Berufsjäger" angeheuert. Sie hatten zunächst die vorrangige Aufgabe, sich um die Fütterungen und um die Regulierung der Bestände zu kümmern. Der Nationalpark begab sich mit diesen Entscheidungen in eine Sackgasse, aus der er heute - 50 Jahre später - noch keinen vernünftigen Ausweg gefunden hat. Michael Haug
Teil 22 der GA-Serie 50 Jahre Nationalpark
Als ein kommunistischer Luchs 2000 DM kostete
Tiere aus der östlichen Tschechoslowakei dienten als Grundausstattung des Nationalparks in der Gründerzeit - Großes Interesse an Devisen Michael Haug 12.05.2020 | Stand 11.05.2020, 16:35 Uhr
In der Region sind Luchse seit 50 Jahren wieder heimisch. Trotz illegaler Abschüsse, die es leider immer wieder zu beklagen gibt, hat sich die Population im Grenzgebiet stabilisiert. -Symbolfoto: Simonis/Archiv Grafenau. Heute geht es um die Wiederansiedlung der Luchse. Die Wiederansiedlung ausgestorbener Tierarten war eines der Hauptanliegen, die in der Diskussion um den Nationalpark Bayerischer Wald im Vordergrund standen. Dabei war die Tierartenliste lang, über die in der Entstehungsgeschichte diskutiert worden war. Dass es möglich sein könnte, den Luchs, der schon im 19. Jahrhundert ausgerottet worden war, im Gebiet wieder heimisch zu machen, daran gab es wenig fachliche Zweifel. Im Rahmen der Tierspenden-Aktion des Bund Naturschutz konnte man eine Patenschaft für solche Tiere erwerben, die schließlich für den Nationalpark vorgesehen waren. Dabei stand seinerzeit der Preis für einen Luchs mit 2000 DM zu Buche. Spannend war für mich, was ich schließlich Jahrzehnte später im Buch von Hubert Weinzierl nachlesen konnte. In den "Erinnerungen unter dem Titel "Zwischen Hühnerstall und Reichstag" aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts berichtet er unter der Überschrift "Begegnungen auf dem Bauernhof" unter anderem Folgendes: "Besuch vom Bundeslandwirtschaftsminister Josef Ertl am 13. April 1970"... verkündet er im Beisein von Presse und politischen Würdenträgern, dass die Bundesregierung den Nationalpark voll und ganz unterstützen werde. Sein Bekenntnis unterstrich er symbolisch, indem er einen Luchs stiftete." Das war insofern besonders hervorragend, weil sein Vorgänger Hermann Höcherl in einer Fragestunde des Deutschen Bundestages einen Nationalpark in Deutschland noch als "schwerlich durchführbar" erklärt hatte (1967). Der Kauf, beziehungsweise die Lieferung von Luchsen an Interessenten in der Bundesrepublik Deutschland, erfolgte zum Ende der 60er Jahre und dem Beginn der 70er Jahre über den Zoologischen Garten von Mährisch-Ostrau, heute Ostrava. In der östlichen Tschechoslowakei gab es damals eine intakte Population und die Machthaber hatten seinerzeit Interesse an Devisen aus der westlichen Welt. Deswegen wurden solche Transaktionen von politischer Seite her gefördert. Auf dieser Schiene sind mehr als ein halbes Dutzend Luchse aus dem ehemaligen kommunistischen Osteuropa nach Westen transferiert worden. Im Umfeld von Bad Gögging landeten auf diese Weise Luchse für Wiederansiedlungsprofile zu einem dortigen Zwischenaufenthalt. Die Gehege waren eine Anlaufstation für Biologen, Tierfilmer und Journalisten. Von diesem Gehegebereich ging auch eine Wiederansiedlung der Biber aus. Im Umfeld entstand das Biberrevier im "Kögelhaufen" zwischen Abens, Ilm und Donau. Weinzierl schreibt: "Das Kögelhaufen-Gatter war deshalb so interessant, weil wir dort zusätzlich schon ein paar jener Tiere hielten, die später in den Nationalpark Bayerischer Wald kommen sollten, also zum Beispiel Fischotter, Luchse, Elche und Wisente." Im Sommer 1970 entstanden bei Neuschönau die ersten Gehege für den Nationalpark. Für die feierliche Eröffnung sollten ein Gehege für Wisente und eines für Luchse fertiggestellt sein. Einige der Luchse wurden - verständlicherweise - für das neue Gehege gebraucht. Parallel dazu lief aber auch ein Programm für die Wiederansiedlung von Luchsen in der freien Wildbahn. Um langwierigen Verfahren aus dem Weg zu gehen, wurde seinerzeit folgende Strategie verfolgt: Die Luchse kamen per Transport-Fahrzeug in den Bayerischen Wald. Mit dem Auto ging es an eine Stelle, an der man die Landesgrenze direkt anfahren konnte. Dort wurde die Transportkiste so platziert, dass der Luchs auf tschechisches Gebiet gelangte, wenn er aus dem Fahrzeug sprang. Er wurde also nicht in Bayern in die Freiheit entlassen. Wenn nun in der Folgezeit Luchse im Bayerischen Wald auftauchten, war die Sprachregelung, dass diese aus dem Böhmerwald ausgewandert sein müssen. In den Folgejahren sind auch auf tschechischer Seite sowohl von den Landnutzungsbehörden als auch von Naturschutz-Seite eigene Wiederansiedlungsprogramme in die Wege geleitet worden. Luchse sind, das ist auch ein Jubiläum, in unserer Region seit 50 Jahren wieder heimisch - ein überaus erfolgreiches Wiederansiedlungsprojekt. Michael Haug
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