Einmalig - das gibt es in keinem anderen deutschen Nationalpark,
die Tierfreigelände im Nationalpark Bayerischer Wald
von Heinrich Vierlinger
„Natur, Natur sein lassen", so lautet auf wenige Worte verkürzt die Zielsetzung im Nationalpark. Passen dazu Tiere in Gehegen und Volieren, eine berechtigte Frage? Eigentlich nein möchte man meinen.
Natürlich haben sich auch die Gründerväter diese Frage gestellt und sie haben sich dafür entschieden. Warum ?
Unser Nationalpark ist durch ausgedehnte Wälder geprägt. Anders als in offener Landschaft bietet sich hier dem Besucher nur selten die Gelegenheit die heimischen Tiere zu beobachten. Einen perfekt getarnten Luchs in freier Wildbahn zu entdecken etwa ist so ein Glück „wie einen Sechser im Lotto zu erreichen".
Die Haltung von Wildtieren ist zwar keine unmittelbare Naturschutzaufgabe des Nationalparks, da aber in Mitteleuropa seit einiger Zeit die größten und spektakulärsten Wirbeltiere ausgestorben waren (wie Wildpferd, Wildrind, Elch, Braunbär oder Wolf z.B.),schien in der Gründungsphase des Nationalparks die Darstellung eines weitgehend repräsentativen Ausschnitts unserer heimischen Tierwelt -aus didaktischen Gründen- besonders wünschenswert, um dadurch die Lebensgemeinschaft Bergwald beispielhaft vorzustellen und diskutieren zu können.
So wurde denn auch von Anfang an festgelegt, dass das Tierfreigelände von der didaktischen Konzeption und der Präsentation besonderen Ansprüchen genügen musste. Daneben sollten aber auch Forschungs- und Naturschutzaspekte (Nachzuchten) berücksichtigt werden.
Es musste also ein Kompromiss gefunden werden zwischen „Natur,Natur sein lassen" und dem Willen und dem Auftrag dem Besucher die Chance zu geben unsere heimischen Tiere sehen zu können und über sie informiert zu werden.
Noch vor der Gründung des Nationalparks im Oktober 1970 errichtete man bei Altschönau im Frühjahr desselben Jahres ein Rothirschgatter. Bis zur Eröffnung im Oktober ergänzte man das Besucherangebot um ein Luchs- und Wisentgehege. Die Präsentation von großen Wildtieren schien ein guter Einstieg zu sein, zumal die Wälder des Nationalparks damals noch bewirtschaftet wurden und sich somit kaum von ihrer Umgebung unterschieden.
Erst im Jahr 1972 wurde dann ein Gesamtplan unter Einbeziehung der bereits vorhandenen Einrichtungen entworfen. Eine Arbeitsgruppe entschied sich damals für die Umsetzung des Vorschlages von Dr. Wolfgang Scherzinger, der auf der Grundlage einer Erhebung besonders geeigneter und attraktiver Sonderstandorte für Gehegebau und Präsentation von Wildtieren großzügige Einzelgehege für Säugetiere und Vögel des Inneren Bayerischen Waldes unter bestmöglicher Integration in die Waldvegetation vorsah. Die bereits vorhandenen Gehegestandorte sollten als Eckpunkte eines weitläufigen Rundweges einbezogen werden.
Als Vorgabe wurde festgelegt, dass die Gehegeanlagen weder „Zoo" noch „Wildpark" werden dürften, sondern vielmehr eine innovative Präsentation vor biotopgerechtem Hintergrund mit einem entsprechenden Führungs- und Informationsangebot.
Nach und nach entstanden nun am Rande des Nationalparks zwei Tierfreigelände (TFG I u. II) mit einer Fläche von 250 Hektar und 16 Großgehegen.(TFG I) Aktuell leben hier 36 verschiedene Vogel- und Säugetierarten aus der heimischen Tierwelt. Mit der Nationalparkerweiterung 1997 errichtete man auch noch ein weiteres bei Ludwigsthal. (TFG II)
Beide Einrichtungen sind der absolute Besuchermagnet des gesamten Bayerischen Waldes und haben den weitaus größten Anteil an den jährlich 760 000 Gästen des Nationalparks Bayerischer Wald. Für Fotografen wurden sie das „Mekka" für Tierbilder.
Unsere Tiere in ihren Gehegen leisten also für unseren Nationalpark ungewollt einen äußerst wichtigen Beitrag zur Öffentlichkeitsarbeit.
Es kommt aber noch ein weiterer, meist weniger beachteter Gesichtspunkt von nicht zu unterschätzender Bedeutung zum Tragen.
In den Gehegen wird Nachwuchs geboren. Wir haben alle somit die äußerst seltene Chance Wölfe, Luchse, Wildkatzen, Auerhühner, Uhus usw. im „Babydasein" in freier Natur zu erleben und uns an ihrem spielerischen Lernen zu erfreuen. Wo gibt es das?
Und es kommen noch zwei weitere sehr wichtige Aspekte hinzu:
· Wir können nach ihrem Erwachsen werden, durch Auswilderung- sei es direkt oder über eine Station - geht natürlich nicht bei Bär und Wolf - die frei lebenden Bestände in unserer Heimat stärken oder gar erst wieder aufbauen. Selbst andere Landschaften und Nationalparks haben davon schon profitiert.
· Wer als Besucher aufmerksam durch das TFG wandert, wird erfreut feststellen, dass nach und nach auch hier richtige „Waldwildnisinseln" entstehen, die ohne Zweifel unserem Tierfreigelände eine ständig größer werdende Attraktiviät verleihen.
In unserer Bildergalerie können Sie Bilder von unserem Tierfreigelände TFG I am Ortsrand von Neuschönau sehen. Diese Fotos werden immer wieder ergänzt durch aktuelle Aufnahmen. Literatur: Dokumentation Nationalpark Bayerischer Wald „Das Tierfreigelände" April 1994